Noch im letzten November hatten UNO-Experten empfohlen, das schwer angeschlagene Korallenriff auf die Liste der gefährdeten Unesco-Welterbestätten zu nehmen. Denn das Great Barrier Reef leidet seit vielen Jahren unter den Folgen des Klimawandels und der Wasserverschmutzung. Rund die Hälfte der Korallen sind gemäss Experten in den letzten 30 Jahren abgestorben.
Dies ist ein Durchschnittswert. Die Schäden auf der 2300 Kilometer langen Ansammlung von Einzelriffen variieren je nach Wassertemperatur – je wärmer, desto grossflächiger sind die Schäden. Das Riff als Ganzes befindet sich aber zweifellos im Todeskampf.
Umso erstaunlicher ist der jetzige Entscheid der Unesco, mit der Aufnahme auf die Liste ein weiteres Jahr zuzuwarten, um Australien noch etwas mehr Zeit für weitere Schutzmassnahmen zu geben. Dahinter steckt nach einhelliger Meinung der Experten das erfolgreiche Lobbying der australischen Regierung.
Diese machte geltend, bereits sehr viel gegen die Korallenbleiche zu tun, sei es beim Zufluss von giftigen Abwässern oder im Kampf gegen die korallenfressenden Seesterne, die das Riff zusätzlich belasten.
Kohle hat auch unter neuer Regierung Priorität
Die Massnahmen sind allerdings ein Tropfen auf den heissen Stein, denn eigentlich könnte nur eine Begrenzung der globalen Temperaturen das Riff möglicherweise noch retten. Und zwar durch den sofortigen Verzicht auf die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Kohle und Gas.
Ungeachtet dessen hat Australiens neue sozialdemokratische Regierung unter Premierminister Anthony Albanese jüngst drei neue Kohleminen bewilligt, und über 100 weitere Kohle- und Gasprojekte sind geplant. Und dies trotz des Wahlversprechens, sich in der Klimapolitik von der konservativen Vorgängerregierung abheben zu wollen.
Zu wichtig sind die Steuergelder und Abgaben aus der Rohstoffindustrie. Dagegen haben die rund 60'000 gefährdeten Arbeitsplätze im Rifftourismus einen schweren Stand.
Schlechte Prognosen für das Riff
Einig sind sich praktisch alle Fachleute, dass das Riff in 50 Jahren tot sein wird, wenn die globale Klimaerwärmung im gleichen Tempo fortschreitet. Die Geschwindigkeit, mit welcher sich die Todesspirale dreht, ist erschreckend.
War es bei meinen Tauchgängen im Great Barrier Reef Ende der 1980er-Jahre noch kristallklar und voller bunter Fische wie in einem Zoo-Aquarium, gleitet man heute teilweise über riesige Felder abgestorbener Korallen, von braunen Algen verschleimt und fast ohne Leben. Der Anblick treibt einem selbst unter Wasser die Tränen in die Augen.