«Pleite-Griechen», «faule Griechen», «die Griechen-Verarsche» – wer als Grieche in Deutschland lebt, muss sich eine dicke Haut zulegen. Insbesondere die deutsche Boulevard-Zeitung «Bild» fährt seit Monaten eine harte Kampagne gegen die Hellenen. So titelte die Zeitung beispielsweise «Nein! Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen!», als im Bundestag eine Abstimmung über weitere Griechenland-Hilfen anstand.
Diamantis Panagiotopoulos hat sich an die Schlagzeilen gewöhnt. Dennoch treffen sie ihn. «Als Grieche ist es nicht leicht, solche Beiträge zu lesen», sagt der Archäologie-Professor der Uni Heidelberg. «Vor allem, weil die Mehrheit der Berichte extrem einseitig ist.» Mit dieser Meinung ist er nicht alleine. Auch der Düsseldorfer Autor und deutsch-griechische Doppelbürger Michalis Patentalis nimmt die deutsche Berichterstattung über Griechenland als «unfair» wahr.
«Nur die halbe Wahrheit»
Denn längst betrieben nicht mehr nur die Boulevard-Blätter tendenziöse Berichterstattung, findet Patentalis. «Sogar beim öffentlich-rechtlichen TV-Sender ARD sagen sie, dass Griechenland bestraft werden muss, weil es seine Hausaufgaben nicht gemacht hat.»
Das Problem sei, dass die deutschen Medien nur die halbe Wahrheit erzählten, fügt Panagiotopoulos an. «Man kann nicht bestreiten, dass Griechenland über 200 Milliarden Euro an Hilfsgeldern bekommen hat», sagt er. «Aber die deutschen Medien lassen die Leser glauben, dass die Griechen dieses Geld sinnlos ausgegeben haben und jetzt noch mehr Geld wollen.» Und dies, obwohl drei Viertel der Hilfsmilliarden dafür verwendet worden seien, die griechischen Banken zu rekapitalisieren oder die Schulden zurück zu zahlen.
Zu wenig Respekt
Darüber hinaus fehle es an Respekt gegenüber dem griechischen Volk, sagt Patentalis. «Die griechische Regierung wird als dumm und planlos hingestellt. Und dies, obwohl eine Mehrheit der Griechen diese Regierung gewählt hat.»
Panagiotopoulos‘ Kritik geht in eine ähnliche Richtung. «In sehr vielen Medien kommt ein Gefühl der moralischen oder intellektuellen Überlegenheit gegenüber den Griechen zum Ausdruck.» Für den Archäologie-Professor zeigt das ein «Mangel an historischem Bewusstsein» – in Anspielung auf die schwierige Beziehung der beiden Länder seit dem 2. Weltkrieg.
Sowohl Panagiotopoulos als auch Patentalis halten fest, dass die verschiedenen griechischen Regierungen die Hauptverantwortlichen für den heutigen Schlamassel seien. «Griechenland hat Fehler gemacht, ganz klar», sagt Panagiotopoulos. «Doch nun, da das Land am Boden liegt, hatten wir uns von Deutschland Unterstützung erhofft.» Stattdessen seien die Griechen mit Häme und Verachtung übergossen worden.
Es gibt nicht nur die «Bild»
Allerdings teilen nicht alle Griechen in Deutschland diese Ansicht. So ist die Kölner Verlegerin Niki Eideneier-Anastassiadi der Meinung, es finde sehr wohl eine differenzierte Berichterstattung statt – wenn man einmal von der «Bild»-Zeitung oder von der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) absehe.
«In der ‹Süddeutschen Zeitung›, in der Wochenzeitung ‹Zeit›, oder sogar auf ‹Spiegel Online› gibt es ausführliche Recherchen und die unterschiedlichsten Standpunkte zur Griechenland-Krise», sagt Eideneier.
Zwar kritisiert sie, dass auch dort vor allem die Probleme des Landes im Fokus stünden.«Man liest nichts darüber, was sonst noch so geschieht. Wenn zum Beispiel junge Leute fast ohne finanzielle Mittel ein Theater-Stück aufführen oder Kinofilme produzieren.» Dennoch hält sie fest: «Die Hetzkampagne gegen das griechische Volk ist eine Erfindung der ‹Bild›-Zeitung.»
Ressentiments auf beiden Seiten
Warum aber hat die deutsche «Bild» mit ihrer Kampagne überhaupt Erfolg? Eideneier verweist auf die Ressentiments, die auf beiden Seiten noch immer vorhanden seien. Zwar reisten viele Deutsche gerne nach Griechenland in den Urlaub. Ebenso hätten viele Griechen als Gastarbeiter Deutschland schätzen gelernt.
Doch das habe nicht gereicht, um das Klischee vom faulen Griechen aus den Köpfen verschwinden zu lassen. Gleichzeitig hätten die Griechen nie vergessen, wie Deutschland während der Besetzung im Zweiten Weltkrieg den griechischen Banken alle Gelder raubte und wie diese nie zurückgezahlt wurden. «Diese Ressentiments kommen jetzt wieder an die Oberfläche», sagt die Griechin.