Im zentralamerikanischen El Salvador ist ein Gefängnis für 40'000 Insassen eröffnet worden – eine der grössten Haftanstalten der Welt. Das Mega-Gefängnis ist ein Projekt von Präsident Nayib Bukele, der sich dem Kampf gegen die Bandenkriminalität verschrieben hat. Sein Vorgehen komme in der Bevölkerung zwar gut an, bringe aber auch demokratische Prinzipien in Gefahr, sagt der Lateinamerika-Kenner Christian Ambrosius.
SRF News: Wie kommt El Salvador dazu, ein so riesiges Gefängnis zu bauen?
Christian Ambrosius: Präsident Bukele will damit zeigen, dass er mit einer ultra-harten Hand gegen die Gewalt und die kriminellen Banden im Land vorgeht. Vor rund einem Jahr verhängte er nach einem besonders gewalttätigen Wochenende den Ausnahmezustand.
Damit setzte Bukele auch rechtsstaatliche Prinzipien ausser Kraft. Die Polizei erhielt die Kompetenz, praktisch jeden auf blossen Verdacht hin ins Gefängnis zu stecken. Inzwischen sind fast 60'000 Personen im Gefängnis.
Ist das Gefängnis somit vor allem deshalb nötig, um all die während des Ausnahmezustands Verhafteten unterzubringen?
In El Salvador sitzen inzwischen zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung im Gefängnis, die Haftanstalten sind seit Jahren hoffnungslos überfüllt. Insofern war der Bau des Mega-Gefängnisses nötig. Allerdings: Wie Bukele das Gewaltproblem und das Gefangenenproblem langfristig lösen will, bleibt auch mit der Mega-Haftanstalt völlig unklar.
Wie Bukele das Gewaltproblem und das Gefangenen-Problem langfristig lösen will, bleibt völlig unklar.
Auch weiss niemand, wie viele der im vergangenen Jahr verhafteten mehreren zehntausend Menschen tatsächlich Gewaltverbrecher und Bandenmitglieder sind – oder ob sie bloss zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Es gibt ja keine Untersuchungen oder Gerichtsprozesse.
Bukeles Plan scheint aufzugehen. Er kann laut Umfragen auf bis zu 80 Prozent Zustimmung zählen ...
Bukele ist tatsächlich sehr populär – was auch besorgniserregend ist. Denn er sendet das Signal aus, dass er dank der Abschaffung der rechtsstaatlichen Grenzen etwas schafft, das seine Vorgänger nicht geschafft haben. Es ist völlig unklar, wohin das führt und was mit der Generation junger Männer passiert, die jetzt im Gefängnis sitzt. Bleiben sie für immer im Gefängnis? Oder kommen sie traumatisiert wieder heraus und das Ganze fliegt Bukele möglicherweise um die Ohren?
Gibt es auch kritische Stimmen im Land?
Sie sind leise. Die politische Opposition ist sehr schwach und hat keine grosse Legitimität. Daneben gibt es einige kritische Medien. Sie stellen fest, dass die Gewalt im Land zwar zurückgegangen ist, doch der Preis dafür – die Demokratie – sehr hoch sei.
Es wird befürchtet, dass bald auch kritische Stimmen ins Gefängnis gesteckt werden könnten.
Sie sorgen sich vor allem darum, was passieren wird, wenn die demokratischen Prinzipien völlig ausgehöhlt und die Kontrollmechanismen wie eine unabhängige Justiz nicht mehr da sind: Es wird befürchtet, dass dann auch die kritischen Stimmen oder politische Oppositionelle ins Gefängnis gesteckt werden könnten.
Das Gespräch führte Dominik Brand.
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