Israel hat eine neue Regierung. Nach drei Urnengängen in knapp einem Jahr, die jedes Mal in einem Patt endeten, war der 4. August bereits für eine vierte Wahl reserviert worden.
Doch nun haben sich die beiden Rivalen – Premierminister Benjamin Netanjahu und sein Herausforderer Benny Gantz – auf eine grosse Koalition geeinigt. Netanjahu bleibt vorläufig Premierminister trotz eines hängigen Prozesses wegen mutmasslicher Korruption.
Also doch eine grosse Koalition zwischen Netanjahus Likud-Partei und den «Blau-Weissen» von Benny Gantz, oder was von ihnen übrig geblieben ist. Ein Teil seiner Partei hatte sich bereits von Gantz abgewandt, als sich seine Kehrtwende abzeichnete.
Gantz hat keinerlei Garantie
Niemals werde er einen Deal mit Netanjahu eingehen, hatte Gantz im Wahlkampf stets beteuert. Sein Wahlprogramm bestand in erster Linie darin, den Angeklagten Netanjahu nach Hause zu schicken. Dennoch hat sich Gantz jetzt mit Netanjahu geeinigt.
Der Deal sieht vor: Netanjahu bleibt noch 18 Monate lang Premierminister, dann übernimmt Gantz. Nur hat er keine Garantie, dass Netanjahu sein Amt tatsächlich zur abgemachten Zeit abgeben wird.
Der ehemalige Armeechef Gantz wird Verteidigungsminister und Vize-Premierminister, seine Leute kontrollieren zudem Aussenministerium, Justiz, Wirtschaft und Kultur. Seine Wählerinnen und Wähler werden ihm jedoch nicht verzeihen, dass er sein Wahlversprechen, Netanjahu loszuwerden, nicht eingelöst hat.
Gantz rechtfertigt sich, er habe eine vierte Wahl verhindert. Er werde die Demokratie schützen und gegen das Coronavirus kämpfen. Er scheint zu glauben, dass er patriotisch gehandelt hat, indem er nachgegeben hat, in der Corona-Krise eine «Notstandsregierung» zu bilden als das einzig Richtige für Israel.
Weggefährten wie Jair Lapid sehen Gantz als Verräter, der sich Netanjahu kampflos unterworfen hat. Enttäuschte Wählerinnen und Wähler betrachten Netanjahu als Gefahr für die israelische Demokratie, weil er mit Notgesetzen in der Corona-Krise seine Macht nur noch mehr ausbauen wolle.
Tamar Zandberg, Fraktionsvorsitzende der Meretz-Partei kommentierte es so: «Das ist keine Notstandsregierung, sondern ein Notfall für unsere Demokratie.»
Keine Alternative?
Wer so etwas sagt, blendet einen Teil der Realität aus. Gantz war nie eine echte Alternative zu Netanjahu. In seinem ersten Wahlkampfvideo Anfang 2019 brüstete sich der ehemalige Armeechef damit, dass unter seiner Führung Teile von Gaza «in die Steinzeit zurückgebombt würden.»
So weit ging nicht einmal Netanjahu, der nicht davor zurückschreckte, die arabischen Staatsbürger Israels pauschal als Feinde zu verunglimpfen.
Gantz unterscheidet sich inhaltlich kaum von Netanjahu. Er befürwortet die Annexion des Jordantals und Teile des Westjordanlandes – nur nicht so schnell wie Netanjahu. In der neuen Regierung stellt er sich Netanjahus Annexionsplänen nicht in den Weg: Er will nur auf das grüne Licht aus den USA warten.
Israel zuliebe
Der grosse Unterschied zwischen Netanjahu und Gantz ist: Netanjahu will um jeden Preis Premierminister bleiben. Gantz wirkt nach drei Wahlkämpfen müde. Zweimal wurde er beauftragt, eine Regierung zu bilden. Zweimal hat er das nicht geschafft.
Er wollte aber ein Gesetz vors Parlament bringen, dass es einem Angeklagten wie Netanjahu verbieten würde, für das Amt des Premierministers zu kandidieren. Dafür hätte er eine Mehrheit der Abgeordneten in der Knesset gewinnen können. Aber soweit wollte Gantz nicht gehen – Israel zuliebe.