In der zürcherischen Gemeinde Rheinau soll versuchsweise ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden. Diese Idee ist auch anderswo populär, zum Beispiel in Italien. Dort hat das Movimento Cinque Stelle das Grundeinkommen im Wahlkampf versprochen. Doch das sei unrealistisch, sagt SRF-Korrespondent Franco Battel. Italien könne sich das nicht leisten.
SRF News: Italien will ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen. Was bedeutet das?
Reddito di cittadinanza bedeutet Bürgergeld. Es würde heissen, dass jeder Bürger und jede Bürgerin ein Grundeinkommen erhalten soll, ohne Ausnahme oder Vorbedingungen. Nur: Wenn man das ausrechnet, dann wäre es viel zu teuer.
Das heisst, von diesem Plan, von dem ursprünglich einmal das Movimento Cinque Stelle gesprochen hat, hat man schon längst wieder Abstand genommen, weil er nicht finanzierbar wäre. Man kann zwar davon träumen, aber ein bedingungsloses Grundeinkommen ist in keiner Art und Weise Teil dieses Koalitionsvertrages.
Aber die Regierung spricht doch weiterhin von diesem Bürgergeld?
Ja, dieser Begriff hat sich hier in Italien eingebürgert, aber eigentlich versteckt sich längst etwas ganz anderes dahinter. Heute müsste man sagen, es handelt sich um eine ausgebaute Sozialhilfe. Dieses Geld sollen nur Leute erhalten, die Arbeit suchen und die das auch nachweisen können. Das heisst, jemand der beispielsweise pensioniert ist oder noch gar nicht im Arbeitsprozess drin ist, erhält es nicht.
Mit diesem Reddito di cittadinanza soll die Sozialhilfe auf alle bedürftigen Leute ausgedehnt werden, vor allem auf solche, die arbeitslos sind.
Damit will man eine Lücke im sozialen Netz stopfen. Bisher gibt es in Italien keine allgemeine Sozialhilfe. Von den rund sechs Millionen Armen bekommt etwa eine Million eine sehr bescheidene Sozialhilfe. Mit diesem Reddito di cittadinanza soll nun die Sozialhilfe auf alle bedürftigen Leute, vor allem auf solche, die arbeitslos sind, ausgedehnt werden.
Das ist aber nicht bedingungslos und ein Grundeinkommen für alle ist es auch nicht.
Ja, es ist wirklich etwas anderes. Aber ich gehe davon aus, dass es trotzdem bei sehr vielen sehr gut ankommen wird. Denn es gibt hier eine weitverbreitete Angst unter Leuten, die im Arbeitsprozess sind, dass sie vielleicht irgendwann mal ihren Job verlieren könnten. Sie haben Angst, dass sie durch allen Maschen durchfallen und im Extremfallverarmen, wenn sie beispielsweise keine Eltern haben.
Es ist noch nicht entschieden, ob diese ausgebaute Sozialhilfe auf zwei Jahre befristet ist oder ob sie während mehrerer Jahre ausbezahlt würde.
Das heisst, wenn dieser Reddito di cittadinanza eben wirklich all jenen Leuten helfen würde, die aus welchen Gründen auch immer ihren Job verloren haben und nicht mehr in den Arbeitsprozess zurückfinden, dann gehe ich davon aus, dass das vielen Leuten Erleichterung bringen könnte, ob sie das nun gebrauchen oder nicht. Aber es gibt ihnen eine gewisse Sicherheit, wie wir sie in der Schweiz auch haben. Es gibt bei uns diese allgemeine Sozialhilfe.
Und doch hat das Movimento Cinque Stelle im Wahlkampf immer ein bedingungsloses Grundeinkommen versprochen. Muss die Regierung mit einem Sturm der Entrüstung rechnen?
Ich glaube nur unter den jenen, die wirklich Verfechter eines bedingungslosen Grundeinkommens sind. Das wurde in Italien zwar schon diskutiert, aber eigentlich hat sich die Diskussion schon längst davon gelöst und es geht nun darum, eine erweiterte Sozialhilfe einzuführen. Wenn es die neue Regierung tatsächlich schafft, diesen redimensionierten Reddito di cittadinanza einzuführen und ab dem nächsten Jahr auszuzahlen, dann gehe ich davon aus, dass das durchaus in Italien populär wäre.
Wie viel würde diese ausgebaute Sozialhilfe kosten?
Es gibt Schätzungen, die gehen aber weit auseinander. Denn es ist noch nicht entschieden, ob diese ausgebaute Sozialhilfe auf zwei Jahre befristet ist oder ob sie während mehrerer Jahre ausbezahlt würde. Die Schätzungen gehen von zwischen 15 und 30 Milliarden Euro im Jahr aus. Italien müsste ziemlich viel Geld in dieses neue Instrument investieren. Geld das derzeit in der Staatskasse nicht vorhanden ist.
Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.