Als erstes mussten Äpfel und Birnen dran glauben. Russland hat den Import dieser Früchte aus Weissrussland per sofort verboten. Auch Erdbeeren und Champignons könnten demnächst auf eine schwarze Liste kommen, heisst es in Moskau.
Begründet wird die Massnahme damit, dass Weissrussland russische Sanktionen umgehe. Das mutmassliche Schema funktioniert demnach so: Weissrussische Firmen kaufen in Europa Früchte und Gemüse, machen einen Kleber «Made in Belarus» drauf und verschicken die Ware weiter nach Russland. Nach russischem Recht ist das illegal, denn der Kreml hat frische Lebensmittel aus der EU mit einem Bann belegt.
Weissrussland bestreitet, ein Schlupfloch zu sein für sanktionierte Waren. Präsident Alexander Lukaschenko reagierte denn auch gereizt auf das Birnen- und Äpfel-Verbot aus Russland: «Sie tun so, als seien sie unsere Partner. Aber jeden Tag lese ich, dass Russland neue Sanktionen gegen uns einführt», sagte Lukaschenko an einer Regierungssitzung.
Der Präsident ordnete auch gleich Vergeltungsmassnahmen an: «Die Öl-Pipelines, die durch Weissrussland gehen, müssen seit längerem repariert werden. Ich bitte die russische Regierung darum, dies jetzt in Angriff zu nehmen.»
Eine Anordnung, die es in sich hat: Denn betroffen ist vor allem die Pipeline «Druschba» [Freundschaft], die russisches Erdöl durch Weissrussland nach Europa transportiert. Wenn die Weissrussen diese wie angekündigt dicht machen, trifft das die russische Wirtschaft spürbar. Durch die Pipeline fliesst etwa ein Viertel der russischen Öl-Exporte.
Ab wann und für wie lange Minsk die Rohrleitung dicht machen will, ist unklar. Der Schritt aber ist die jüngste Eskalation in einem schon länger währenden Streit. Der Kreml will Weissrussland enger an Russland binden. Ein bereits auf dem Papier bestehender Unionsstaat soll mit Leben gefüllt werden. Lukaschenko, der in Minsk autoritär regiert, widersetzt sich – und wird nun von Russland unter Druck gesetzt.
Für Moskau hat der Konflikt einen rein wirtschaftlichen Charakter. Auf das Äpfel- und Birnen-Verbot angesprochen, sagte der Sprecher von Präsident Putin, es handle sich bloss um «ökonomische Missverständnisse.»
Aus Sicht Weissrusslands präsentiert sich die Sachlage allerdings anders: der bekannte Philosoph Wladimir Mazkewitsch hat in einem offenen Brief vor einer Annexion Weissrusslands durch den grossen Nachbarn gewarnt. Diese Gefahr bestehe – die weissrussische Gesellschaft müsse sich darauf vorbereiten.
Der Kreml bestreitet, derartige Absichten zu haben. Völlig aus heiterem Himmel kommen die weissrussischen Ängste aber nicht.
Gerade jetzt haben sich die Kulturminister der beiden Länder getroffen; und Russlands Kulturminister Wladimir Medinski hat dabei die Sorge geäussert, dass die russische Sprache in Weissrussland benachteiligt werde. «Ich bitte Sie sehr darum, ein Auge darauf zu haben», sagte Medinski zu seinem weissrussischen Kollegen.
Eine Bitte, die auch als Drohung verstanden werden kann. Denn in Minsk erinnert man sich genau daran, wie Russland die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim begründet hat: mit dem Schutz der dortigen Bevölkerung, die zum grossen Teil russisch spricht.