Ausgestorbene Strassen, Menschen, die verängstigt aus den Fenstern von Hochhäusern herausblickten: Im Januar gingen die Bilder aus der Metropole Wuhan, wo die chinesischen Behörden kompromisslos gegen ein mysteriöses Virus vorgingen, um die Welt.
Das harte Durchgreifen im autoritär geführten Land erstaunte viele Europäer. Bald schon sollte das Wort «Lockdown» aber auch zu ihrem ganz alltäglichen Vokabular gehören.
Nun wächst in vielen europäischen Ländern die Sorge, dass das öffentliche Leben erneut auf ein Minimum reduziert wird – denn vielerorts breitet sich das Coronavirus scheinbar ungebremst aus. Die zweite Welle ist Realität.
Rigide Restriktionen
Ganz anders das Bild im Ursprungsland der Pandemie. In China bewegt sich die Zahl der Neuansteckungen seit Monaten auf tiefem Niveau. Es gebe zwar immer mal wieder Fälle in einzelnen Städten und Provinzen, berichtet SRF-Korrespondent Martin Aldrovandi. «Aber von einer zweiten Welle kann man nicht sprechen.»
Wenn es zu lokalen Ausbrüchen kommt, gehen die Behörden wenig zimperlich vor: Abriegelung von Millionenstädten, drastische Bewegungseinschränkungen, Massentests und Covid-Apps ohne jeden Datenschutz.
«Die am meisten genutzte App verfügt über ein Ampelsystem», so Aldrovandi. Als er selbst aus dem Ausland nach China zurückkehrte, war die Ampel auf «rot» und wurde erst nach der Quarantäne und einem negativen Test wieder «grün». Und nur, wer grünes Licht hat, kann sich frei bewegen.
Die Massnahmen in China haben eine ganz andere Wirkung.
Wer die App nicht nutzt, kann gewisse Gebäude nicht betreten oder stösst im ÖV auf verschlossene Türen. «Datenschutz wie in Europa gibt es nicht. Wenn ich positiv getestet werde, wird das den Behörden mitgeteilt – samt meinem Bewegungsprofil.»
Die tiefen Fallzahlen im Riesenreich scheinen den Behörden recht zu geben. «Die Massnahmen in China haben eine ganz andere Wirkung», so der SRF-Korrespondent. Es sei aber klar, dass Massnahmen wie im autoritär geführten China bei uns kaum durchführbar seien. «Die Grösse, das Regierungssystem – das lässt sich auch nicht mit der Schweiz vergleichen.»
Lernen könne man allerdings von den Menschen im ostasiatischen Raum, die das Coronavirus von Anfang an sehr ernst genommen hätten: «In Korea, Taiwan, teils auch Japan, haben die Menschen von sich aus relativ früh Masken getragen, ohne dass die Regierungen dies angeordnet hätten», so der Korrespondent.
Viele Menschen blieben zu Beginn der Krise zu Hause. Oft waren in den Bars und Restaurants nur noch ‹Westler›, die sich noch nicht gross sorgten.
Aldrovandi selbst lebt in Schanghai. Auch dort hätten viele Menschen frühzeitig eine Art selbst verordnetes Social Distancing praktiziert, ihre Aktivitäten und ihren Bewegungsradius freiwillig eingeschränkt. «Viele Menschen blieben zu Beginn der Krise zu Hause. Oft waren in den Bars und Restaurants nur noch ‹Westler›, die sich nicht gross sorgten.»
Aus der Ferne hat Aldrovandi denn auch einen etwas anderen Blick auf seine Heimat. «Ich habe schon manchmal gestaunt, wie früh man hier in Ostasien reagiert hat und wie man in der Schweiz immer noch über Masken debattiert.»