- Letzten Herbst mussten viele Neugeborene und Kleinkinder mit einer Lungenentzündung ins Spital.
- Schuld daran war RSV: Das Virus ist überall und steckt die meisten von uns mehr als einmal im Leben an. Doch gefährlich werden kann es fast nur den Kleinsten.
- Womöglich können sich ihre Mütter schon bald während der Schwangerschaft impfen lassen und so ihre Neugeborenen mit immunisieren.
Die Geschichte der Impfstoffe gegen RSV beginnt mit einem Schock: Mediziner impfen in den 1960er-Jahren eine Gruppe Kleinkinder mit einer durch Formalin abgeschwächten Form des Virus. Erst sieht es gut aus, das Präparat wird gut vertragen. Doch einige Monate später müssen nach und nach ganze 80 Prozent der Impflinge ins Spital. Zwei der Kinder sterben.
Diese Ereignisse hatten Folgen für die weitere Suche nach RSV-Impfstoffen. Kliniker und Medizinerinnen liessen fast alle die Finger davon – doch nicht Grundlagenforscher Jason McLellan. Um gute Impfstoffe zu bauen, müsse man genau wissen, wie so ein Virusprotein ausschaue, zu dem der Impfstoff ja passen sollte, betont er.
Akribisch designter Impfstoff
Der Strukturbiologe McLellan klingt wie jemand, der gerne mit Lego spielt, und der seine Legosteine in der Biologie, bei Viren, Antikörpern und Impfstoffen findet. 2008 nimmt er sich eher zufällig das RS-Virus vor. Er schaut sich die Virusstruktur bis ins kleinste Detail an und entdeckt dabei etwas Entscheidendes.
«Das RS-Virus trägt ähnlich wie das Coronavirus Stacheln an der Oberfläche», erklärt McLellan. Der Knackpunkt: Die Stacheln von RSV verändern ihre Form, wenn das Virus Körperzellen infiziert. Und ein Impfstoff ist nur dann wirksam, wenn er auf die erste, unveränderte Form abzielt. McLellan schafft es dann mit allerlei biochemischen Tricks, genau so einen Impfstoffkandidaten zu designen.
Impfstoff in den USA und in der EU zugelassen
Die ersten RSV-Impfstoffe der Pharmafirmen GlaxoSmithKline und Pfizer wurden schliesslich vor wenigen Monaten, im Frühling 2023, in den USA zugelassen. Die EU liess bisher jenen von GlaxoSmithKline zu, in der Schweiz wird der Antrag der Firma geprüft.
Die Immunität der werdenden Mutter überträgt sich auf das Neugeborene.
Allerdings sind die Impfstoffe bislang überall bloss für Erwachsene zugelassen. Zwar ist RSV für ältere Menschen ebenfalls ein häufiger Auslöser von Lungenentzündungen, doch die eigentliche Zielgruppe eines Impfstoffs sind Kleinkinder. An ihnen ist bisher aber keiner der beiden Impfstoffe getestet – nicht zuletzt aus Vorsicht nach den Erfahrungen in den 1960er-Jahren.
Schwangere impfen und Föten so immunisieren
Pfizer versucht jetzt, für seinen Impfstoff auch die Zulassung zur Immunisierung von Schwangeren im dritten Schwangerschaftsdrittel zu bekommen. «Die Immunität überträgt sich auf das Neugeborene und schützt es in den ersten sechs Lebensmonaten, dem Zeitraum, in dem RSV am ehesten zum Spitaleintritt führt», sagt Grundlagenforscher McLellan.
Für Diskussionen sorgt, dass es mit der Impfung allenfalls zu etwas mehr Frühgeburten kommen könnte. Die Daten dazu werden noch ausgewertet. Auch hier geht man nach den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte vorsichtig zu Werke.
Doch es ist klar: Ein wirksamer RSV-Impfstoff ist in Reichweite.