- Knapper geht es nicht. Mit der knappsten aller Mehrheiten von 51 zu 50 Stimmen ebnen die Republikaner im US-Senat der Abschaffung von «Obamacare» den Weg. Inhaltlich ist aber noch nichts entschieden.
- Vizepräsident Mike Pence musste das Unentschieden mit seiner Stimme brechen, weil zwei republikanische Senatorinnen mit Nein stimmten. Alle Demokraten stimmten mit Nein.
- Die formale Entscheidung machte nun lediglich den Weg für die Debatte frei.
- Am späten Abend stimmten die Senatoren mit 57:43 gegen einen Vorschlag, der weite Teile von «Obamacare» abgeschafft hätte. Dagegen waren neun Republikaner.
Mehrere Republikaner, die noch in der Vorwoche gegen ein eigenes Alternativgesetz gestimmt hatten, sagten nun Ja zur Eröffnung einer Debatte. Daraus lässt sich gleichwohl keine Voraussage über den Ausgang der kommenden Senatsabstimmung über das Gesetz ableiten.
Die Abstimmung wurde von Protesten und Rufen wie «Schande» oder «Kill that Bill» (etwa: «Schafft dieses Gesetz ab») von den Zuschauerrängen des Senats begleitet.
US-Präsident Donald Trump bedankte sich bei den republikanischen Senatoren. «Obamacare» sei ein Desaster und hätte schon längst abgeschafft werden sollen, sagte er. Die Gesundheitsgesetzgebung sei extrem komplex, er kenne sich damit aus. Amerika stehe nun vor einer «grossen» Krankenversicherung.
McCain: Vom Spital in den Senat
Die 50. Stimme kam von Senator John McCain, der trotz einer Gehirnoperation und einer dabei diagnostizierten Krebserkrankung eigens zur Abstimmung nach Washington gekommen war. Wie andere Senatoren betonte er, es gehe ihm mit seinem Ja lediglich um eine Debatte. Inhaltlich könne er der bislang vorgelegten Gesetzgebung nicht zustimmen.
In einer bewegenden und bemerkenswerten Rede rief McCain seine Kollegen leidenschaftlich dazu auf, bei allem Streit in der Sache wieder überparteilich zusammenzuarbeiten. «Freunde – wir bekommen überhaupt nichts geregelt», sagte der 80-Jährige, gezeichnet von einer langen Narbe über dem Auge. Seine eigene Partei warnte er vor Mauscheleien hinter verschlossenen Türen.
Der demokratische Senator Bernie Sanders seinerseits sagte, das ganze Verfahren sei eine Travestie. Das Gesetz sei hinter geschlossenen Türen geschrieben worden, es habe keine einzige Anhörung gegeben. Mehrere Demokraten protestierten in scharfer Form gegen die Entscheidung.
EIn erster Vorschlag zur Abschaffung fällt durch
Knapp an der Niederlage vorbeigeschrammt, macht die formale Entscheidung nun dem Senat zunächst den Weg für eine Debatte frei. Bei der Abstimmung war nicht bekannt, über welche Inhalte in der Folge debattiert werden sollte. Der politische Prozess im Senat sieht die Möglichkeit zahlreicher Anfügungen und Änderungen zu einem vorliegenden Gesetzestext vor.
Am späten Abend stimmten die Senatoren bereits mehrheitlich gegen einen Vorschlag, der weite Teile des Gesetzes abgeschafft und ersetzt hätte. 57 Senatoren waren dagegen, darunter auch neun Republikaner. 43 votierten dafür. Unter ihnen war John McCain, der wenige Stunden zuvor noch angekündigt hatte, dagegen stimmen zu wollen.
In den kommenden Tagen folgen weitere Abstimmungen, den Senatoren stehen langwierige und komplizierte Debatten bevor. Ende der Woche wird dann voraussichtlich über eine Abschaffung und respektive oder einen Ersatz für «Obamacare» entschieden.
Millionen würden Versicherung verlieren
Die Führung der Republikaner und Trump selbst hatten über Tage eine Art Alles-oder-Nichts-Szenario aufgebaut: Wer dagegen stimme, die Abschaffung von «Obamacare» in Gang zu setzen, stimme für das Werk von Trumps Amtsvorgänger.
Gegen «Obamacare» laufen die Republikaner seit Jahren Sturm: Sie halten sie für einen Übergriff des Staates und für Sozialismus, ausserdem trägt das Gesetzeswerk Barack Obamas Namen.
Eine mehrheitsfähige Alternative zu der von vielen für die USA als historisch bezeichneten Versicherung hatte die Partei gleichwohl nicht entwickelt. Unabhängige Analysen bescheinigten allen bisher diskutierten Vorschlägen der Republikaner gravierende Verschlechterungen für die Gesundheitsvorsorge von mehr als 20 Millionen US-Amerikanern.