Dass eine ganze Stoffgruppe verboten wird – das gab es bislang noch nie. Fünf EU-Staaten schlagen nun aber genau das vor – für die sogenannten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen – kurz PFAS. Diese Chemikalien sind nachweislich gesundheitsschädlich und häufen sich in der Umwelt an.
Professor Martin Scheringer ist Umweltchemiker an der ETH Zürich und beschäftigt sich schon seit 15 Jahren mit PFAS. Er sagt, der Vorschlag der EU-Staatengruppe sei immens wichtig «Man kann ohne Übertreibung sagen, dass es die problematischste Stoffgruppe ist, die wir bisher im Rahmen der Industriechemikalien haben.»
PFAS kommen etwa in 10’000 verschiedenen Produkten zur Anwendung. Von der Zahnseide oder dem Skiwachs, der schön glatt sein soll, über Teppiche, die Schmutz abweisen, bis zur Teflonpfanne in der Küche. Und in zahlreichen Fällen können PFAS gefährlich sein für den Menschen. Am bekanntesten ist der Fall einer Teflon-Fabrik in den USA. «Dort sind Tiere und Menschen gestorben und sehr krank geworden, wegen der Substanz PFOA im Wasser. Diese wurde von der Produktionsanlage von DuPont freigesetzt.»
Das heisst jetzt aber nicht, dass wir uns mit der Teflonpfanne zu Hause akut vergiften. Ist die Pfanne einmal fertig produziert, seien nur Dämpfe gefährlich, wenn man die Pfanne extrem stark erhitzt werde, sagt Martin Scheringer.
Anreicherung ist problematisch
Die Substanzgruppe der PFAS ist extrem breit und umfasst mehrere tausend Stoffe. «Die Stoffe sind unterschiedlich, nicht alle sind gleich und auch nicht gleich toxisch.» Die Stoffe bauen sich in der Umwelt aber nicht ab. Das heisst, sie reichern sich an, sei es auf Übungsplätzen der Feuerwehr, wo sie durch den Schaum von Feuerlöschern gelangen, sei es in der Raumluft von Outdoorbekleidungs-Läden oder im menschlichen Körper. Diese Anreicherung ist problematisch.
In Übereinstimmung mit zahlreichen weiteren Experten sagt Scheringer, man müsse die PFAS regulieren. «Weil es so viele sind, weil sie so oft eingesetzt werden, weil sie so stabil sind und weil sie nicht weggehen werden.»
Lange Übergangsfristen für die Industrie
Der Vorschlag für das Verbot stammt von fünf EU-Mitgliedstaaten und sieht für die Industrie unterschiedlich lange Übergangsfristen vor – 18 Monate bis 12 Jahre – je nachdem, wofür die Substanzen gebraucht werden und wie leicht sie zu ersetzen sind. Wie sehr sich die Industrie gegen die geplante Regulierung zur Wehr setzt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Bisher gibt es nur Einschränkungen für einzelne PFAS, es kommen aber laufend neue auf den Markt.
Der Vorschlag wird jetzt von Expertengremien und dann von der EU-Kommission diskutiert. Die Schweiz wird indirekt auch betroffen sein von der neuen EU-Regelung, weil viele Schweizer Unternehmen ihre Produkte in die EU exportieren und die Standards der EU einhalten müssen. Es ist deshalb gut möglich, dass die Schweiz später die Regulierung der EU übernehmen wird.