Es war der Aufstieg der Unbelehrbaren: In den Tagen und Wochen vor der offiziellen Schliessung des Uluru-Aufstiegs heute vor drei Jahren pilgerten tausende von Touristen ins rote Zentrum von Australien, um noch einmal – oder zum ersten Mal – den wohl ikonischsten Berg des Landes zu besteigen: Den Uluru, oder Ayers Rock, wie ihn früher weisse Kolonialisten getauft hatten.
Nach Jahrzehnten des Bittens und Bettelns hatten die Menschen vom Stamm der Anangu die Schliessung des Aufstieges erreicht. Es war ein Sakrileg: Wie viele Schluchten, Wasserlöcher und Höhlen des 348 Meter hohen Inselberges gilt auch der Gipfel als heilig und tabu. Der Uluru ist eng mit den Gesetzen und der Kultur der Anangu verbunden – dem sogenannten «Tjurkurpa».
Wir hatten keine Ahnung. Wir sind einfach hochgestiegen.
Trotzdem kletterten im Verlauf der Jahrzehnte hunderttausende Touristen aus aller Welt auf den Gipfel. Unter ihnen war Ende der 1980er-Jahre auch die Schweizerin Hanny Gerber. Vom Wunsch der Ureinwohner, auf das Klettern zu verzichten, habe man damals nichts gewusst: «Man hatte keine Ahnung», sagt Gerber bei ihrem jüngsten Besuch am Uluru. So sei man «eben hochgestiegen».
Australiens Besucherzahlen sind nicht eingebrochen
Drei Jahre nach der Schliessung sei das Klettern unter Touristen kein Thema mehr, meint Sammy Wilson, Anangu-Ältester und einer der traditionellen Wächter über die Geheimnisse des Uluru. «Die Frage wird kaum noch gestellt. Denn die Leute wissen schon vor der Ankunft, dass das Besteigen des Uluru verboten ist.» Auf die Besucherzahlen Australiens hatte die Schliessung offenbar keine messbaren Folgen.
Mit dem Ende des Aufstiegs endete für die Anangu ein Jahrzehnte dauernder Kampf um die Anerkennung ihrer Forderungen. Zwar hielten Aborigines Sitze in der von weissen Verwaltern dominierten Uluru-Nationalparkbehörde. Doch zu sagen hatten die ersten Australier wenig.
26. Oktober 2019 als Tag der Erlösung
Für die Tourismusindustrie war der Berg eine wichtige Attraktion und so pochte sie darauf, dass er für alle zugänglich bleibt. Sie fürchtete um ihre Einkünfte, sollte der Aufstieg geschlossen werden. Schliesslich zeigten Umfragen jedoch, dass immer weniger Touristen klettern wollten. Die meisten respektierten den Wunsch der Anangu. Seit den 1990er-Jahren hatten Schilder Besucherinnen und Besucher aufgefordert, nicht zu klettern. Erlaubt blieb es aber bis zum 26. Oktober 2019.
Gut 30 Jahre nach dem Aufstieg ist Hanny Gerber wieder am Uluru. Heute wäre es für sie undenkbar, den Berg zu besteigen. «Ich weiss ja jetzt, dass es ein heiliger Berg für die Aborigines ist. Somit achte ich das und gehe da sicher nicht mehr hoch», sagt Gerber. Sie findet, man habe viel mehr Achtung von diesem Berg, wenn man ihn nur von unten sehe.
Kommt hierher – und lernt.
Sammy Wilson empfiehlt, die Enormität des Uluru zu Fuss zu erkunden. Die neun Kilometer lange Wanderung um den Berg dauert etwa zwei Stunden. Dabei solle man auf die Schilder achten, welche die Bedeutung von Orten erklären, die seit Jahrtausenden eine wichtige Rolle in der Geschichte der Anangu spielen. Wilsons Aufruf an die Menschen der Welt: «Kommt hierher – und lernt».