Finnland plant einen Grenzzaun auf gewissen Abschnitten der finnisch-russischen Grenze. Damit will das Land seine Grenze zu Russland strenger kontrollieren. Für SRF-Mitarbeiter Bruno Kaufmann hat die Grenze neben der physischen Absicherung auch einen symbolischen Wert: Das Tauwetter zwischen Russland und Finnland nach dem Ende des Kalten Kriegs ist endgültig vorbei.
SRF News: Was erhofft sich die Regierung in Helsinki von diesem geplanten Grenzzaun?
Bruno Kaufmann: Sie erhofft sich ein deutliches Signal nach aussen und nach innen. Gegenüber Russland will man zeigen, dass man die Abkehr infolge des Ukraine-Kriegs ernst meint. Gegenüber der Nato, der Finnland beitreten möchte, will man signalisieren: Wir wissen unsere Aussengrenze zu schützen. In Finnland selbst geht es darum aufzuzeigen, dass Moskaus aggressive Nachbarschaftspolitik gegenüber Helsinki grosse Konsequenzen hat.
Die Grenze zwischen Finnland und Russland ist über 1300 Kilometer lang. Sie ist die längste Grenze eines EU-Landes mit Russland. Nur gerade auf einem Fünftel dieser Strecke – auf 240 Kilometern – soll ein Zaun gebaut werden. Was bringt das überhaupt?
Auf den ersten Blick mag das etwas inkonsequent erscheinen. Aber 99 Prozent der finnisch-russischen Grenze liegen in tiefen Wäldern ohne Strassenanschluss. Dort über die Grenze zu kommen, ist praktisch unmöglich. Es gibt aber einige Stellen, an denen Strassen und teilweise auch Eisenbahnen zur Grenze führen. In diesem Umfeld möchte man die Grenze sichern. Man will vermeiden, dass es weiterhin Grenzposten in offenem Feld gibt, die ohne physische Sicherung nebeneinander stehen.
Finnland will wie Schweden Mitglied beim westlichen Militärbündnis Nato werden. Welches Signal sendet Finnland mit dem geplanten Zaun für diese Mitgliedschaft aus?
Finnland signalisiert ganz klar gegenüber der Nato und dem Westen generell, dass man sich zugehörig fühlt und einen Beitrag leisten will. Die Neutralität, die seit dem Zweiten Weltkrieg die finnische Aussenpolitik bestimmt hat, hat man aufgegeben. Erst am Mittwoch sagte der finnische Präsident Sauli Niinistö, dass das Vertrauen in die Führung in Moskau seit dem Einmarsch in der Ukraine weg sei.
Es gibt zehntausende von Familien, die sowohl auf der russischen als auch auf der finnischen Seite zuhause sind. Wie es für sie in diesem fast schon neuen Kalten Krieg weitergeht, ist die offene Frage – und eine grosse Tragik der letzten Monate.
Das widerspiegelt auch, was Finnland mit seinem EU-Beitritt vor bald dreissig Jahren signalisierte. Damals sagte man, dass es weniger um Wirtschafts- als um Sicherheitspolitik ging. Man möchte auf der westlichen Seite der Trennlinie stehen.
Die Grenze zwischen Finnland und Russland soll viel strenger kontrolliert werden. Was bedeutet das für Familien, die auf beiden Seiten der Grenze leben?
In den letzten dreissig Jahren hat ein gewisses Tauwetter stattgefunden, in die Beziehungen zwischen Finnland und Russland ist Normalität eingekehrt. Mit dem Schnellzug konnte man in wenigen Stunden von Helsinki nach St. Petersburg fahren. Viele Russinnen und Russen hatten Sommerhäuschen in Finnland, im Osten Finnlands wurde Russisch sozusagen zur zweiten offiziellen Sprache. All das ist jetzt vorbei.
Aber es gibt zehntausende von Familien, die sowohl auf der russischen als auch auf der finnischen Seite zu Hause sind. Wie es für sie in diesem fast schon neuen Kalten Krieg weitergeht, ist die offene Frage – und eine grosse Tragik der letzten Monate.
Das Gespräch führte Claudia Weber.