Die 32-jährige Japanerin Yumi Ishikawa musste in ihrem Teilzeitjob bei einem Bestattungsunternehmen gegen ihren Willen hochhackige Schuhe anziehen. Sie reichte eine Petition beim Gesundheits- und Arbeitsministerium ein. Unternehmen soll es verboten werden, ihre weiblichen Angestellten zum Tragen von Schuhen mit hohen Absätzen zu zwingen.
Der zuständige Minister verteidigte die Stöckelschuhe am Arbeitsplatz. In manchen Jobs seien sie notwendig und angemessen. Die Debatte in Japan zeige, dass sich dort die Normen veränderten – und sie sei notwendig, meint Japan-Kenner Martin Fritz.
SRF News: Sind hochhackige Schuhe in Japan ein Muss?
Vor allem dort, wo beim Kontakt mit dem Kunden auf die äussere Form geachtet wird, in Hotels oder Flugzeugen. In vielen japanischen Unternehmen tragen die Mitarbeiter eine Uniform, die vom Unternehmen gestellt wird, einschliesslich der Schuhe.
Frauen gelten als ‹Die Blumen der Büros›
Generell herrscht ein Klima vor, in welchem von erwerbstätigen Frauen verlangt wird, sich hübsch zu machen. Jede Japanerin, die das Haus verlässt, trägt Make-up, zieht auf der Arbeit förmliche Kleidung an. Pumps gehören meistens dazu.
Warum wird diese Kleidervorschrift als diskriminierend wahrgenommen?
Weil Unterschiede zwischen Männern und Frauen gemacht werden. Seit 2005 dürfen die Männer beispielsweise im Sommer von Mai bis September auf Krawatte und Jackett verzichten. Grund ist, dass damit die Klimaanlagen in den Büros nicht so stark laufen müssen und Strom gespart werden kann. An Frauen hat bei dieser Kampagne jedoch keiner gedacht. Das liegt meiner Meinung nach an einem verbreiteten Denken, dass die Frauen «die Blumen der Büros» sind, also vor allem der Verschönerung der Arbeitswelt dienen, während die Männer arbeiten.
Was gab den Ausschlag für die jetzige Kampagne?
Der Hashtag dieser Kampagne auf Twitter ist sehr kreativ und originell. Er heisst #KuToo und ist eine Anspielung auf die #MeToo-Bewegung.
Im Prinzip haben sich die Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt umgekehrt.
Auf Japanisch ausgesprochen führt #KuToo zu einem Wortspiel und bedeutet einerseits Schuhe, aber auch Schmerz. Der zweite Grund ist ein genereller Trend in Japan. Arbeitnehmer lassen sich nicht mehr alles vorschreiben.
Was ist der Grund dafür, dass sich Japans Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nun gegen diese Regeln wehren?
Im Prinzip haben sich die Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt umgekehrt. Wegen der Alterung der Gesellschaft und der schrumpfenden Bevölkerung herrscht inzwischen ein sehr grosser Mangel an Arbeitskräften und damit ein Wettbewerb um Arbeitskräfte. Die Unternehmen müssen ein gutes Arbeitsklima herstellen, damit sie ihre Mitarbeiter nicht verlieren und neue gewinnen können.
Sobald Vorgesetzte ihre Macht missbrauchen, wehren sich viele Japaner dagegen. Man spricht hier von «Power Harassment», also Machtmissbrauch. Die Regierung hat diesen Trend mit ihren sogenannten «Arbeitsstilreformen» gestärkt. Die Überstunden wurden begrenzt und eine Urlaubspflicht eingeführt.
Was sagt diese Kampagne gegen den Stöckelschuh-Zwang über den sozialen Druck auf Frauen am Arbeitsplatz in Japan aus?
Die japanischen Männer werden mehr darüber nachdenken, dass das Tragen von Pumps und Stöckelschuhen für die Frauen nicht unbedingt ein Vergnügen ist, sondern bedingt ist durch Vorschriften und gesellschaftliche Normen. Diese Debatte zeigt auch, dass sich diese Normen verändern, und zwar zugunsten der Frauen, auch wenn der Weg hier noch sehr weit ist.
Das Gespräch führte Joël Hafner.