Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Situation in Aleppo mit Blick auf die rund 250'000 Einwohner der eingekesselten Enklave der Rebellen im Osten von Aleppo als unfassbar bezeichnet. «Die Lage ist herzzerreissend und macht einen wütend», sagte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan in Genf.
«Wir fordern vier Dinge: Stoppt das Töten, stoppt die Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, lasst die Kranken und Verletzten raus und lasst die Hilfe rein», sagte Rick Brennan von der WHO und bezog sich dabei auf Regierungstruppen und Aufständische.
Nach seinen Angaben steht medizinische Hilfe für 140'000 Verletzte oder Kranke seit Wochen zum Transport nach Aleppo bereit. Allerdings gebe es keine Genehmigung der Regierung in Damaskus. Auch Russland sei klargemacht worden, dass Menschen in Sicherheit gebracht und die Kämpfe gestoppt werden müssten.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) forderte ihrerseits die syrische Regierung und Russland auf, die Bombenangriffe auf den von Rebellen gehaltenen Ostteil von Aleppo sofort zu stoppen. Der gesamte Osten der Stadt sei eine einzige «Todeszone», über der ein stetiger Bombenhagel niedergehe, erklärte MSF-Einsatzleiter Xisco Villalonga.
Die syrische Regierung müsse die willkürliche Bombardierung einstellen, und «Russland als unverzichtbarer politischer und militärischer Verbündeter» der syrischen Regierung müsse den nötigen Druck auf Damaskus ausüben, den Beschuss zu stoppen, forderte die Organisation.
Zahlreiche Tote
Unter Berufung auf die Gesundheitsbehörden von Ost-Aleppo berichtete MSF, allein binnen fünf Tagen Ende September seien in den wenigen noch funktionierenden Spitälern 278 Leichen eingeliefert worden, darunter die von 96 Kindern. Zudem seien mehr als 820 Verletzte behandelt worden.
«Alle Intensivstationen sind voll», erklärte Villalonga. Patienten müssten darauf warten, dass andere sterben, um ein Spitalbett zu bekommen. Seit August sei es nicht mehr gelungen, medizinische Güter nach Ost-Aleppo zu liefern.
Die syrische Armee hatte nach dem Scheitern einer Feuerpause vor einer Woche mit russischer Unterstützung eine Offensive auf den von Rebellen kontrollierten Ostteil der Metropole gestartet, um ganz Aleppo zurückzuerobern.
Gefechte am Boden
Über den Verlauf der Kämpfe gab es am Freitag widersprüchliche Angaben. Die mit der Regierung verbündete Hisbollah-Miliz erklärte über ihren Fernsehsender Al-Manar, die Armee habe die Region um das Krankenhaus Kindi unter ihre Kontrolle gebracht. Aus Rebellenkreisen verlautete dagegen, in der Umgebung der Klinik tobten weiter Kämpfe.
Nach Darstellung der Armee gelang auch die Einnahme einiger Gebäude in der Innenstadt. Die Regierungstruppen, die von der russischen Luftwaffe unterstützt werden, hatten am Donnerstag Geländegewinne erzielt. Die gemeinsame Offensive läuft seit etwa einer Woche.
Neue US-Strategie?
In den USA wird angesichts der gescheiterten Friedensbemühungen und der Entzweiung mit Russland ein Kurswechsel erwogen. Obama habe Geheimdienste, Aussen- und Verteidigungsministerium angewiesen, neue Optionen zu erarbeiten, sagte der stellvertretende Aussenminister Antony Blinken vor Abgeordneten.
Die Nachrichtenagentur Reuters hatte bereits in dieser Woche erfahren, dass die USA etwa eine bessere Ausrüstung der Rebellen durch Verbündete in der Region erwägen.