Assef Abu Umhadi liegt im Spitalbett und schreit. Ein Arzt spritzt Desinfektionsspray auf eine Wunde unterhalb des Knies – dort, wo früher sein Unterschenkel war. «Bitte aufhören! Es brennt, ich halte das nicht aus», fleht Asseh. Der Arzt streicht ihm über den Kopf und legt einen Verband an.
Mein Bruder war sofort tot. Und mein Bein war weg.
Assef, elf Jahre alt, kommt aus Nuseirat, einer Siedlung im Zentrum des Gazastreifens. Nun liegt er im Al-Aqsa-Spital in Deir al Balah. «Wir haben draussen Fussball gespielt, als die Rakete einschlug», erzählt er gegenüber der Rundschau. «Mein Bruder war sofort tot. Und mein Bein war weg.»
Ein Vorhang trennt ihn und das Mädchen im Bett nebenan – 30 Zentimeter Abstand. Er zeigt ein Foto von sich auf einem Fussballfeld, blaues Trikot, neongrüne Schuhe. Assef war Torwart. Seine Mutter sagt: «Er hat sich so sehr gewünscht, Profifussballer zu werden. Ich wollte ihn ermutigen, habe ihn in der Sportakademie eingeschrieben.»
Das Spital wird zum Zufluchtsort
Die Anzahl Patientinnen und Patienten im Al-Aqsa-Spital übersteigt die Kapazität um das Fünffache. Es beherbergt Verwundete aus dem Norden des Gazastreifens, wo die israelische Armee derzeit mit Bodentruppen vorrückt, und aus dem Zentrum, wo sich die israelische Armee und die Terrororganisation Hamas schwere Gefechte liefern.
Rund um das Spital: Tausende Geflüchtete aus den umkämpften Gebieten. Sie bauen Zelte aus Tüchern und Planen.
Unter ihnen: Familie Daher. 70 Prozent der Menschen in Gaza haben keinen Zugang zu Trinkwasser. Tochter Lina Sha’ir wurde krank, als sie hier ankam. «Ich vermisse unser Zuhause», sagt sie und zeichnet ihr früheres Zimmer in den Sand. «Hier haben wir nichts.»
Uns fehlt es am Nötigsten. Auf der Chirurgie haben wir nicht genug Betäubungsmittel.
Linas Familie backt einfaches Fladenbrot, dazu ein wenig Tomaten. Auch Assef bekommt nicht genug zu essen. Seine Mutter gibt ihm Honig, damit er bei Kräften bleibt. Schmerzmittel und Medizin bekommt er nur noch selten.
Die Zustände sind katastrophal
Der Chefarzt des Al-Aqsa-Spitals spricht gegenüber der «Rundschau» von katastrophalen Zuständen. «Uns fehlt es am Nötigsten. Auf der Chirurgie haben wir nicht genug Betäubungsmittel. Manchmal geben wir einfache Schmerzmittel oder müssen Patienten ganz ohne Betäubung operieren.»
Assef wurde eigentlich entlassen. «Wir haben nicht einmal einen Rollstuhl. Wie soll ich ihn mitnehmen? Und wohin?», fragt seine Mutter. Sie dürfen bleiben – aber leben in Angst vor Beschuss. «Im Norden wurden Spitäler angegriffen. Es gibt keine rote Linie mehr.»