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Uno sucht Milliarden für Afghanistan-Hilfe
Aus Echo der Zeit vom 12.01.2022. Bild: Reuters
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Humanitäre Krise am Hindukusch Das afghanische Dilemma: Dem Volk helfen – aber nicht den Taliban

Die UNO will dem notleidenden afghanischen Volk helfen – ohne die Taliban zu stützen. Ein illusorisches Unterfangen.

Viereinhalb Milliarden Franken sucht die UNO, um der humanitären Krise in Afghanistan entgegenzuwirken. Das sei der grösste Spendenaufruf für humanitäre Hilfe, den die Weltorganisation je für ein Land ausgesprochen hat, sagte Martin Griffiths, der Beauftragte für Humanitäre Hilfe an der UNO. Das Geld soll humanitären Organisationen zugutekommen.

Damit soll verhindert werden, dass die Taliban, welche letzten Sommer die Kontrolle über das Land erlangten, direkt von den Hilfszahlungen profitierten. Das stösst aber auch auf Kritik von Seiten einiger humanitären Organisationen.

Frau mit Kind bettelt auf Strasse vor Kabul
Legende: Seit der Machtübernahme der Taliban hat sich die humanitäre Lage in Afghanistan dramatisch verschlechtert: Das Land ist isoliert, Hilfe kommt nur schleppend zu den Menschen, das neue Regime ist international geächtet. Keystone

Griffiths Worte sind klar: Ohne diese viereinhalb Milliarden Dollar gebe es keine Zukunft in Afghanistan. Das Geld wird benötigt, um den über 24 Millionen Menschen, die im Moment an Hunger leiden, zu helfen. Das ist deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung.

Auch Ingy Sedki vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Afghanistan spricht von einer sehr schwierigen Lage im Land: «Für eine durchschnittliche Familie ist es fast unmöglich, Essen zu kaufen, für den Unterricht der Kinder aufzukommen oder einfach die wichtigsten Dinge zu besorgen.»

Grassierende Arbeitslosigkeit, fehlendes Bargeld

«Viele haben den Job verloren und jene, die noch eine Arbeit haben, werden nicht bezahlt», so Sedki weiter: Über eine halbe Million Menschen. Lehrer, Krankenschwestern, Angestellte von Tankstellen oder Trinkwasserstationen, die im Moment unentgeltlich arbeiteten. Da praktisch niemand mehr die Wohnungsmiete bezahlen kann, droht vielen Afghaninnen und Afghanen von ihren Vermietern auf die Strasse gesetzt zu werden.

Die Internationale Gemeinschaft muss endlich eine politische Lösung mit Afghanistan finden, so dass Gelder wieder ins Land fliessen können.
Autor: Ingy Sedki Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK)

Bei nächtlichen Minustemperaturen, die derzeit in Kabul herrschen, wäre das lebensbedrohlich: Afghaninnen und Afghanen würden ihre Habseligkeiten verbrennen, um sich irgendwie warmzuhalten, sagt Ingy Sedki vom IKRK. Das grösste Problem sei aber nach wie vor das fehlende Bargeld im Land. «Nur wenn der öffentliche und der private Sektor wieder Zugang zu Geldern erhalten, können Angestellte wieder bezahlt werden und die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden.»

Vertriebene Afghanen in einem Flüchtlingscamp
Legende: Millionen Afghaninnen und Afghanen leiden an Hunger, viele wurden innerhalb des Landes vertrieben. Keystone

Schon vor der Machtübernahme der Taliban war Afghanistan von internationaler Hilfe abhängig. Ausländische Hilfsgelder finanzierten 70 Prozent der Staatsausgaben. Doch diese Hilfsleistungen seien nach der Machtübernahme der Taliban gestoppt und afghanische Staatsreserven im Ausland eingefroren worden. Dies, um zu vermeiden, dass die Gelder in die Hände der neuen de-facto Regierung gelangen.

Auch die benötigten viereinhalb Milliarden der UNO sollen nicht an die Taliban gehen, sondern an Hilfsorganisationen, damit diese die materiellen Bedürfnisse der Afghaninnen und Afghanen decken können.

Helfen, ohne die Taliban zu stützen – das ist kaum möglich

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Legende: Thomas Gutersohn, SRF-Korrespondent für Südasien. SRF

SRF-Korrespondent Thomas Gutersohn: «Die Taliban sind de facto an der Macht. Der Westen kommt nicht darum herum, das Regime über längere Frist anzuerkennen. Sonst steht der öffentliche Sektor still. Und darunter leidet auch die städtische Mittelschicht.

Armut und Hunger in Afghanistan ist jedoch kein neues Thema, vor allem auf dem Land kommen die Menschen seit Jahrzehnten nur mit grössten Nöten über die Runden. Um diesen Menschen zu helfen, macht die Arbeit von Hilfsorganisationen Sinn – sie leisten diese schon seit vielen Jahren. Was nun neu dazugekommen ist, ist eine städtische Armut der einstigen Mittelschicht: Menschen, die eigentlich Arbeit haben, aber kein Gehalt mehr beziehen. Menschen, die Geld auf dem Konto haben, es aber nicht abheben können. Für diese Menschen braucht es einen funktionierenden öffentlichen Sektor, um die Wirtschaft einigermassen in Gang zu bringen. Aber dieses öffentliche Wesen verwalten im Moment die Taliban.

Einen realistischen Weg, der afghanischen Bevölkerung zu helfen, ohne damit das Taliban-Regime zu unterstützen, gibt es nicht. Das zeigt auch die Erfahrung. Schon die erste Talibanherrschaft war von den meisten Ländern nicht anerkannt. Das Resultat waren bittere Armut und Hunger. Und auch unter der Regierung von Ashraf Ghani oder zuvor von Hamid Karzai funktionierten Schulen, Spitäler, Strom-Werke etc. nur dank internationaler Hilfe. Wenn man jetzt sagt, dass diese Gelder nur humanitären Organisationen zugutekommen, um eben die Taliban nicht zu unterstützen, würden diese Organisationen quasi administrative Regierungsarbeiten übernehmen – also Saläre der Stromwerksmitarbeiter bezahlen. Und das wäre unsinnig.»

Der Norwegische Flüchtlingsrat NRC, eine humanitäre Hilfsorganisation, warnte aber vor Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser UNO-Hilfen. Geld bereitzustellen bringe wenig, wenn das Ausland und die Taliban-Regierung nicht schnell Bargeld im Land wieder verfügbar machten, so NRC.

Demonstration in Kabul, 2. Januar
Legende: Anfang Januar demonstrierten in der Hauptstadt Kabul die armutsgeplagten Menschen: Sie forderten, die im Ausland eingefrorenen afghanischen Staatsreserven freizugeben. Keystone

Etwas weniger direkt, aber in die gleiche Richtung argumentiert Ingy Sedki vom IKRK: «Die Internationale Gemeinschaft muss endlich eine politische Lösung mit Afghanistan finden, so dass Gelder wieder ins Land fliessen können.» Das hiesse, dass sich die internationale Gemeinschaft mit den Taliban zusammensetzen müsste.

Echo der Zeit, 12.01.2022, 18 Uhr

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