«Wir bitten die peruanische Regierung, uns durchzulassen. Machen Sie die Grenze auf und lassen Sie uns durchreisen in unser Heimatland Venezuela. Dort wollen wir hin», sagt Carlos, ein Venezolaner, gegenüber der Nachrichtenagentur AP.
Es sind Kolumbianerinnen, Haitianer, aber vor allem Menschen aus Venezuela, die derzeit versuchen, von Chile nach Peru zu gelangen. Die meisten von ihnen haben keine gültigen Papiere, weshalb Peru ihnen die Einreise verweigert.
Seit Tagen sitzen die Migranten deshalb in der Atacama-Wüste fest, durch die die Grenze verläuft. Es ist die trockenste Region der Welt. Ohne ausreichend Trinkwasser, ohne Schutz vor den heissen Wüstentagen und kalten -nächten, harren hier ganze Familien aus: darunter schwangere Frauen und Kinder.
Venezuela für Sicherheitskrise verantwortlich?
In Chile ist die Stimmung gegenüber den venezolanischen Migranten zuletzt gekippt: Im März und April starben drei chilenische Polizistinnen und Polizisten im Einsatz – sie wurden laut offiziellen Angaben mehrheitlich von venezolanischen Staatsangehörigen getötet.
Die Mordrate in Chile stieg 2022 auf den höchsten Wert seit zehn Jahren an. Das Land erlebt eine Sicherheitskrise: Der linksprogressive Präsident Gabriel Boric macht dafür vor allem ausländische Drogenkartelle verantwortlich. Chiles Kriminalstatistik gibt allerdings keine Auskunft über die Nationalität von Verbrecherinnen oder Tatverdächtigen.
Im Nachbarland Peru ist die Stimmung noch aufgeheizter. Dort erklärte Präsidentin Dina Boluarte, venezolanische Migranten seien schuld an der Kriminalität im Land: «Es sind die Ausländer, die täglich Raubüberfälle und andere kriminelle Handlungen begehen».
Feindbild und Ablenkungsmanöver
Es liegt der Verdacht nahe, dass Boluarte mit solch ausländerfeindlichen Aussagen von der internen politischen Krise in ihrem Land ablenken will. Denn die Vorfälle der letzten Monate zeichnen ein anderes Bild: Die interamerikanische Kommission für Menschenrechte spricht von mutmasslichen Massakern, welche die peruanische Polizei verübt habe.
Bei Protesten gegen die Präsidentschaft von Boluarte starben seit Dezember über 50 Menschen – vor allem Indigene – höchstwahrscheinlich durch Polizeigewalt. Das brachte der Präsidentin den unliebsamen Spitznamen «Dina Asesina» ein und eine Ermittlung der Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Völkermord.
Die Migrationskrise an der südlichen Grenze Perus erlaubt es Boluarte nun, sich als starke Frau an der Spitze der Regierung zu präsentieren: So verhängte die Präsidentin für die Grenzregion bereits den Ausnahmezustand und sie schickte Soldaten an die Grenze, um die Einreise von Migranten zu verhindern.
Repatriierungsflüge als Lösung?
Laut der peruanischen Regierung sollen die Migrantinnen und Flüchtlinge in der Atacama demnächst von einem venezolanischen Flugzeug in Chile abgeholt und zurück nach Venezuela gebracht werden. Welche Zukunft sie dort erwartet, ist unklar.
Dass die Männer, Frauen und Kinder bis dahin womöglich noch tagelang unter menschenunwürdigen Verhältnissen in der Wüste durchhalten müssen, ist ein Armutszeugnis für die Regierungen aller beteiligten Länder.