Hunderte Politiker, Amtsträger, Firmenvorstände und Spitzensportler in aller Welt sollen jahrelang Finanzdienstleister genutzt haben, um ihre Vermögen und Wertgegenstände zu verstecken. Das geht aus Unterlagen (den sogenannten «Pandora Papers») hervor, die internationale Medien ausgewertet und am Sonntag in Teilen veröffentlicht haben.
Die Rechercheure: Eine anonyme Quelle spielte die «Pandora Papers» dem Internationalen Consortium für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) zu. In der Folge haben in den vergangenen zwei Jahren etwa 600 Journalisten in 117 Ländern die Dokumente für weltweit 150 Medien ausgewertet. An der Auswertung beteilig waren unter anderem die «Süddeutsche Zeitung», die «Washington Post», der «Guardian», der «Indian Express» und «Le Monde», in der Schweiz der «Tages-Anzeiger», «Der Bund», die «Basler Zeitung» und die «Berner Zeitung».
Die Dokumente: Die «Pandora Papers»-Recherchen basieren nach Angaben der daran beteiligten Medien auf geheimen Dokumenten von 14 in Steueroasen tätigen Finanzdienstleistern und reichen bis ins Jahr 2021. Die Lecks sollen aus 11.9 Millionen Dokumenten bestehen und «jeden Winkel der Welt» abdecken. Es handle sich um das «bislang grösste Datenleck zu Geschäften in Steueroasen» in einer Dimension von rund 2.9 Terabyte, hiess es.
Die Profiteure: Zu den Profiteuren der Offshore-Dienste sollen 330 Politiker und Amtsträger aus fast 100 Ländern gehören, darunter allein 35 derzeitige oder ehemalige Staats- und Regierungschefs. Mit Namen tauchen etwa auf: der tschechische Ministerpräsident Babis, der König von Jordanien Abdullah, der II., und die noch amtierenden Präsidenten der Ukraine, von Kenya und Ecuador. Ferner fänden sich in den vertraulichen Dokumenten auch Namen von prominenten Spitzensportlern und Firmenvorständen.
Das Gesetz: Bei den Enthüllungen geht es darum, dass Leute mit sehr viel Geld Firmen, meist sogenannte Trusts, an Orten aufbauen, an denen sie keine oder wenig Steuern zahlen und wo sie dies auch anonym tun können. SRF-Wirtschaftskorrespondentin Charlotte Jacquemart geht davon aus, dass die wenigsten dieser Trusts illegal sind, sondern im Einklang mit der jeweiligen Gesetzgebung, wo sie sind. Es gebe Heerscharen von Treuhändern und Anwälten in aller Welt, die den Superreichen helfen, möglichst wenig Steuern zu zahlen, indem sie Gesetzeslücken ausnutzen oder zumindest den gesetzlichen Spielraum maximal ausnutzen. «Illegal sind diese Aktivitäten erst dann, wenn Schwarzgeld oder Geld aus kriminellen Aktivitäten, Stichwort Geldwäscherei etc. in diese Trusts gesteckt wird.»
Das Versäumnis: Laut Oliver Zihlmann, Co-Leiter Recherchedesk Tamedia, zeige das neue Leck, dass sich seit den «Panama-Papers» nicht viel verändert habe. Nach deren Offenlegung hätte der Traum von Superreichen, ihre Vermögen verstecken zu können, schwieriger werden sollen. Stattdessen seien ganz viele Briefkastenfirmen aufrechterhalten worden, «auch für hochproblematische Kunden, sogar Kriminelle».
Die Rolle der Schweiz: Obwohl das Schweizer Parlament in jüngster Zeit Druck gemacht hatte, wurden bis jetzt auch aus der Schweiz heraus kriminelle Kunden bedient. Nach Angaben von Tamedia haben «Schweizer Anwälte, Treuhänder und Beraterinnen alleine bei einer grossen Kanzlei in der Karibik 7000 Offshore-Firmen betreut.» Das sei möglich gewesen, weil nach der Eröffnung der «Panama Papers» selbst Treuhänder und Anwälte der Schweiz bescheinigten, dass hierzulande alles gut laufe, hält Zihlmann fest.
Die Konsequenzen: Das jüngste Leck bringt nicht nur manchen namhaften Politiker und Amtsträger in Erklärungsnot. Es heizt zwangsläufig auch die Diskussion um Steuerschlupflöcher wieder an – nicht zuletzt in der Schweiz.