Ismael Marquez liegt im Bett. Er ist gezeichnet von einer schweren Krankheit und seinem Alter. Zusetzen tut ihm aber vor allem die Vergangenheit. Der 82-jährige Rechtsanwalt aus der kolumbianischen Hauptstadt Bogota hat vor 18 Jahren und 7 Monaten seinen Sohn verloren. Kike heisst er. Und Kike bleibt bis heute verschollen. «Farc-Rebellen haben ihn damals entführt. Sie glaubten, er sei der Chef einer Agrarsparkasse. Doch sie haben ihn verwechselt», erzählt Marquez.
Straffreiheit erzürnt Marquez
Damals war Kike 26 Jahre alt. Über das Schicksal seines Sohnes erfuhr Vater Ismael Marquez nie etwas. Nicht einmal Lösegeld forderten die Farc-Rebellen. Im Verlauf der Friedensverhandlungen wurde der Guerilla-Kommandant, der für die Entführung verantwortlich ist, zwar mehrfach zur Rede gestellt. «Aber der Guerillero wollte oder konnte sich nicht erinnern. Dem Friedens-Hochkommissar Kolumbiens hat er immer wieder neue Versionen aufgetischt», erzählt Marquez enttäuscht.
Während die Regierung den Friedensvertrag nun offiziell feiert, mag sich der Vater über den historischen Schritt nicht freuen. «Der Vertrag bedeutet mir nichts, rein gar nichts», sagt er. Er sei ein gebrochener Mann und wolle endlich wissen, was mit seinem Sohn passiert sei. Der Friedensvertrag besagt zwar, dass die Guerilleros mit der Wahrheit herausrücken und den Opfern Genugtuung leisten müssen. Schwere Konsequenzen wie Gefängnisstrafen müssen die Rebellen aber nicht befürchten. Sie werden nur symbolisch bestraft, mit kleinen Einschränkungen in der individuellen Bewegungsfreiheit.
Der Vertrag bedeutet mir nichts, rein gar nichts
«Es tröstet mich nicht, wenn Guerilla-Kommandanten zur Wiedergutmachung Sozialarbeit leisten müssen», sagt Ismael Marquez. Er kämpft deshalb gegen die Straflosigkeit der Guerillaspitze. Der Rechtsanwalt hat sich mit anderen Opfern der Farc-Guerilla zusammengetan. Zusammen wollen sie die Fälle vor internationale Gerichte und so die Verantwortlichen hinter Gitter bringen. Es ist möglich, dass Ismael Marquez erfolgreich sein wird. Der Internationale Strafgerichtshof ICC besagt, die Schwere eines Verbrechens müsse sich proportional in Gefängnisstrafen niederschlagen.
Ob er sein Ziel noch erreichen wird? Wer den 82-jährigen Vater sieht, zweifelt. Für ihn aber ist klar: «Frieden bedeutet mehr als nur das Schweigen der Waffen.»