Zwei Impfungen reichen für einen guten Schutz gegen das Coronavirus – dachte man zumindest. In einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNBC sagte der Chef des Impfstoff-Herstellers Pfizer nun, dass eine dritte Impfung nötig sein könnte. Zudem müsse man allenfalls jährlich die Impfung auffrischen. SRF-Wissenschaftsredaktor Daniel Theis mit dem aktuellen Wissensstand.
SRF News: Was heisst das für Menschen, die bereits geimpft sind. Reichen zwei Impfungen nicht?
Daniel Theis: Das sollte man auseinanderhalten. Eine jährliche Auffrischung ist schon länger in Diskussion und liegt im Bereich des Möglichen. Ob es aber kurz nach den ersten beiden Impfungen eine dritte Dosis braucht, bezweifle ich im Moment stark. Vor allem bei den auch in der Schweiz eingesetzten mRNA-Impfstoffen ist es eher unwahrscheinlich. Beim chinesischen Impfstoff von Sinopharm ist bekannt, dass eine dritte Dosis teilweise nötig war. Der Impfstoff hat aber auch einen deutlich tieferen Impfschutz als diejenigen von Moderna und Pfizer/Biontech.
Es ist möglich, dass Corona irgendwann zum harmlosen Schnupfen wird.
Dass eine Auffrischung nötig sein könnte, hat mit verschiedenen Faktoren zu tun. Zunächst kann das Virus mutieren. Zudem ist noch ungeklärt, wie lange die Immunität anhält – wie lange also die Antikörper aktiv bleiben.
Auffrischungen braucht es auch bei anderen Impfungen wie etwa derjenigen gegen Starrkrampf/Tetanus – dort aber in viel grösseren Abständen. Wie kommt das?
Bei Starrkrampf waren es lange zehn Jahre, heute empfiehlt die Kommission für Impffragen sogar zwanzig Jahre bei Erwachsenen, um den Impfschutz aufzufrischen. Der Unterschied – gerade zum Coronavirus – ist: Starrkrampf wird durch einen Giftstoff ausgelöst, den Bakterien ausscheiden. Die Impfung zielt auf diesen Giftstoff und nicht auf die Bakterien.
Weil sich der Giftstoff aber kaum je in seiner Struktur verändert, kann der Impfschutz lange anhalten. Und: Der Impfschutz geht offenbar gut in ein immunologisches Langzeitgedächtnis über. Bei Corona ist es anders: Sars-Cov-2-Viren verändern sich. Zudem ist es beim Coronavirus noch unklar, wie gut die Impfung in das Langzeitgedächtnis übergeht.
Das heisst, man müsste den Impfstoff immer wieder anpassen?
Ja. Es ist aber noch unklar, wie oft und wie stark man ihn wirklich anpassen muss. Wer sich gegen Grippe impfen lassen will, muss dies ja jedes Jahr machen. Ob das auch bei Sars-Cov-2, das sich weniger schnell verändert, so sein wird, ist offen.
Zudem dürfte jemand, der schon geimpft ist, bei einer späteren Ansteckung nicht schwer erkranken. Es hängt aber alles davon ab, wie sich die Varianten entwickeln. Immunologen gehen aber davon aus, dass sich das alles mit der Zeit abschwächen wird. Es ist möglich, dass Corona irgendwann zum harmlosen Schnupfen wird – und auch Nachimpfungen nicht notwendig sein werden, weil dieser Schnupfen unser Immunsystem immer wieder in die Gänge bringt gegen Sars-Cov-2.
Pfizer kommt es ja entgegen, wenn man den Impfstoff regelmässig spritzen muss. Steckt auch eine Verkaufsstrategie dahinter?
Profitieren werden die Herstellerfirmen auf jeden Fall, wenn Auffrischungen des Impfschutzes notwendig werden. Aber es sind nicht sie, die bestimmen, ob das nötig sein wird. Nichtsdestotrotz: Alles ist miteinander verzahnt. Die Impfstudien werden von den Herstellern durchgeführt beziehungsweise von ihnen in Auftrag gegeben. Das ist auch sinnvoll, weil jemand die Studien bezahlen muss. Wichtig ist aber, dass diese seriös protokolliert und neutral ausgewertet werden können.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.