Was passiert ist: Am vergangenen Freitag teilte die mexikanische Regierung mit, dem ehemaligen ecuadorianischen Vizepräsidenten Jorge Glas Asyl zu gewähren. Noch am selben Abend umstellte die ecuadorianische Polizei die Botschaft, stürmte das Gebäude und nahm Glas fest.
Das Problem: Das Gelände einer Botschaft gilt eigentlich als unantastbar. Vertreterinnen und Vertreter des Empfangsstaates – in diesem Fall Ecuador – dürfen die Botschaft nur mit Zustimmung des Botschaftschefs betreten. Das besagt das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961.
Der Hintergrund: Dem Eklat bei der Botschaft ist ein verbaler Schlagabtausch vorausgegangen. Der mexikanische Präsident Andres Manuel López Obrador hat angedeutet, dass der ecuadorianische Präsident Daniel Noboa bei den Wahlen letztes Jahr nur gewonnen hat, weil ein anderer Kandidat erschossen wurde. Laut SRF-Südamerikakorrespondentin Teresa Delgado sei das bei Noboa nicht gut angekommen.
Das sagt Ecuador: Aus ecuadorianischer Sicht ist Jorge Glas ein verurteilter Krimineller. Mexiko hat laut Ecuadors Präsident Noboa internationale Verträge verletzt, weil es als Gast in Ecuador einen Justizflüchtling mit einer vollstreckten Strafe wegen Korruptionsverbrechen beherbergt und nicht ausgehändigt habe. Dadurch habe sich Mexiko in die internen Angelegenheiten Ecuadors eingemischt und die Souveränität des Landes verletzt.
Innenpolitisches Kalkül: Gemäss Korrespondentin Delgado könnte hinter der Argumentation Noboas und der Verhaftung Glas' ein innenpolitisches Kalkül stecken. Am 21. April findet in Ecuador eine Volksabstimmung über eine Verschärfung der Sicherheitspolitik statt. Noboa hoffe, dass die Bevölkerung ihm dann den Rücken decke und seine Politik der harten Hand künftig auf die ecuadorianische Verfassung abstützen könne.
Internationale Kritik: Ecuador hat mit der Erstürmung der mexikanischen Botschaft in Quito einen ganzen Kontinent gegen sich aufgebracht. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der 34 Staaten aus Nord-, Mittel- und Südamerika – unter anderem die USA, Argentinien oder Brasilien – angehören, verurteilte das Vorgehen der ecuadorianischen Polizei, so auch die EU. Aussenbeauftragte Josep Borrell bezeichnete auf X das Vorgehen als eine «klare Verletzung der Wiener Konvention».
Das sagt das EDA: Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) schreibt auf Anfrage von SRF, es sei besorgt über die Verletzung des Wiener Übereinkommens und fordere dessen «uneingeschränkte Einhaltung».
Die Auswirkungen: Inzwischen hat Mexiko die diplomatischen Beziehungen zu Ecuador abgebrochen und will wegen der mutmasslichen Verletzung des Völkerrechts den Internationalen Gerichtshof anrufen. Welche Folgen das mittel- und langfristig haben wird, müsse sich noch zeigen, sagt Delgado: «Aber kurzfristig hat Ecuador ordentlich diplomatisches Porzellan zerschlagen.» Sorgen müssen sich Botschafterinnen und Boschafter in Ecuador laut dem ehemaligen Schweizer Botschafter und Ex-Nationalrat Guldimann nicht machen. Ecuador dürfte klar werden, dass es in seinem Interesse sei, in Zukunft solche Aktionen zu unterlassen.