Das Nagelstudio in der Peckham Park Road heisst «Sunshine». Doch die Sonne scheint in dieser Gegend von London längst nicht für alle. Besonders nicht für jene, die im Sozial-Laden einer wohltätigen Institution gegenüber einkaufen müssen. Es sind Menschen wie Liz, deren Einkommen nicht mehr mit den steigenden Preisen Schritt halten können.
«Die wachsenden Lebenskosten machen meinen Alltag enorm schwierig. Ich bin ständig am Rechnen, ob es für dies oder jenes reicht.» Liz ist eine jener zwei Millionen Personen in Grossbritannien, die gemäss dem jüngsten Sozialbericht der britischen Behörden an der Armutsgrenze leben und sich nur noch eine Mahlzeit pro Tag leisten können. Diese beziehen sie immer häufiger in sozialen Einrichtungen, wie hier an der Peckham Park Road.
Das Prinzip des Geschäfts sei einfach, erklärt Geschäftsführer Chris Price. «Die Leute bezahlen einen fixen Preis von viereinhalb Pfund – also etwas über fünf Franken. Dafür können sie im Laden zehn Produkte im Wert von insgesamt 20 bis 35 Franken auswählen.»
Die «Pantry» hat gekochtes Fleisch, Getreide, Teigwaren, Konserven im Angebot, aber ebenso frische Früchte und Gemüse. «Für wenig Geld können die Leute also genug Essen für zwei bis drei Tage kaufen.»
Nicht nur das Fleisch ist vorgekocht, sondern auch viele Teigwaren und Kartoffeln. Angesichts der hohen Energiepreise ist Kochen für viele Leute zu teuer. Man verkaufe deshalb Mahlzeiten, die man im Mikrowellenofen wärmen könne, erklärt Chris Price.
In Grossbritannien leiden die Konsumentinnen und Konsumenten unter der höchsten Inflation seit 50 Jahren. Ursache sind steigende Lebensmittel- und Energiepreise als Folge des Krieges in der Ukraine, aber ebenso eine stagnierende Wirtschaft und die Folgen des Brexits. Besonders betroffen sind Menschen, die bereits zuvor an der Armutsgrenze lebten.
2.5 Millionen Kinder haben in Grossbritannien gemäss einer Untersuchung der britischen «Food Fondation» keinen Zugang zu regelmässigen gesunden und warmen Mahlzeiten. Viele müssten morgens in der Schule erst einmal verpflegt werden, bevor der Unterricht beginnen könne, erzählen Lehrkräfte.
Der helle und freundliche soziale Laden unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von einem normalen Quartierladen. Auffallend ist jedoch die Stille. Die Kunden verrichten ihre Einkäufe schweigend, viele mögen nicht reden und wenn sie doch reden, erzählen sie keine schönen Geschichten: von Kindergeburtstagen ohne Geschenke oder der Einsamkeit in hässlichen Wohnungen. Ins Mikrofon wollen die wenigsten sprechen. Weil sie sich schämen würden, sagt Chris Price.
Arm sein macht nicht nur hungrig, sondern auch krank. Besonders im Kopf.
Arm zu sein, sei nicht schön, sagt die 43-jährige Susan. Man sei es schneller, als man denke. Eine Scheidung, die Pandemie und der Verlust ihres Arbeitsplatzes machten aus der Grafikerin eine Kundin des Sozial-Ladens. «Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal hier landen würde. Arm sein macht nicht nur hungrig, sondern auch krank. Besonders im Kopf.»
Der Laden im Süden Londons macht die Menschen nicht gesund, aber wenigstens satt. Menschen, die zu Hause viele Sorgen haben und einen leeren Kühlschrank.