Kanada erlebt derzeit Waldbrände von enormem Ausmass. Seit April stehen Wälder in Flammen, die Brandherde verteilen sich unterdessen über das ganze Land. Riesige Flächen wurden bereits verwüstet, Zehntausende mussten sich in Sicherheit bringen. SRF-Nordamerika-Korrespondent Andrea Christen beantwortetet die aktuellsten Fragen.
Warum wüten die Waldbrände dieses Jahr so stark?
In Kanada war der Frühling aussergewöhnlich heiss und trocken, mit windigem, warmem Wetter. Das hat perfekte Bedingungen für die Waldbrandsaison geschaffen. Sie dauert ungefähr von April bis September. Das ist an sich nichts Aussergewöhnliches. Diese Brandperiode ist aber rasch sehr intensiv geworden. Schon jetzt ist eine Fläche abgebrannt, die deutlich grösser ist als die Schweiz. Gemessen an dieser verbrannten Fläche ist dies eines der schlimmsten Brandjahre seit Beginn der Aufzeichnungen.
Welche Rolle spielt der Klimawandel bei diesen Bränden?
Drei Faktoren spielen eine Rolle: trockenes, windiges Wetter, die Menge an trockenem, brennbarem Material in der Natur und die Zahl von Blitzschlägen, die eine Mehrheit der Feuer entfachen. Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass der Klimawandel all diese Faktoren verstärkt und dass Brände regelmässiger werden dürften. Tatsächlich erlebte Kanada eine ganze Reihe von Wetterextremen, zum Beispiel in British Columbia, wo die Temperaturen vor zwei Jahren auf 50 Grad Celsius stiegen. Solche Ereignisse – darüber macht man sich keine Illusionen in Kanada – dürften häufiger werden.
Wie versuchen die Behörden, den Bränden beizukommen?
Manchmal bleibt keine andere Wahl, als dem Feuer aus dem Weg zu gehen – dann wird evakuiert. Löschflugzeuge spielen eine grosse Rolle bei der Brandbekämpfung. Kanada verfügt aber nur etwa über 100 einsatzbereite Maschinen. Die einzelnen Provinzen leihen sich diese Flugzeuge gegenseitig je nach Bedarf aus. Nun wird dieses System aber überfordert, wenn Wälder praktisch gleichzeitig in weiten Teilen des Landes brennen. Die Bekämpfung der Waldbrände ist Sache der einzelnen Provinzen. Es fragt sich, ob das ausreicht, um solch intensive Brandperioden zu bewältigen, oder ob es nicht eine nationale Brandbekämpfungsbehörde in Kanada braucht.
Gibt es politische Bestrebungen in diese Richtung?
Man ist im Moment sehr auf diese unmittelbare Krise konzentriert. Die Regierung hat hunderte Feuerwehrleute aus dem Ausland zu Hilfe geholt, aus den USA, aus Europa oder auch aus Südafrika. Die kanadischen Streitkräfte stehen im Einsatz. Ich kann mir gut vorstellen, dass bald eine Diskussion über die Frage beginnt, ob man die Brandbekämpfung neu aufstellen und ausbauen sollte. Es gibt auch Stimmen, die erklären, in Kanadas Wäldern sollte man viel häufiger kontrollierte Brände legen, um so besonders brennbares Holz kontrolliert abzubrennen. Das werde zu wenig gemacht. Was klar ist und was auch der Regierung klar ist: Diese intensive Brandperiode dürfte nur ein Vorgeschmack auf die Zukunft sein.