Wenige Tage nach der zweiten Runde der Präsidentenwahl in Afghanistan hat der Kandidat Abdullah Abdullah schwere Betrugsvorwürfe erhoben und der Wahlkommission das Misstrauen ausgesprochen. «Die Auszählung sollte sofort gestoppt werden», forderte er. Eine Fortsetzung sei unrechtmässig.
Erste Zahlen und andere von seinen Mitarbeitern gesammelte Beweise zeigten, dass es bei der Stichwahl am Samstag einen Betrug in grossem Umfang gegeben habe. Er habe in die Wahlbehörden kein Vertrauen mehr. Die Beobachter aus seinem Lager rief er auf, ihre Arbeit einzustellen und in die Parteizentralen zurückzukehren.
Rivale liegt in Führung
Nach ersten Erkenntnissen der Mitarbeiter Abdullahs liegt Gegenkandidat Aschraf Ghani mit fast einer Million Stimmen in Führung. Allerdings sind noch nicht alle Stimmen ausgezählt. Zahlreiche Wahlurnen sind noch nicht zur Auswertung in der Hauptstadt Kabul eingetroffen.
Beobachter fürchten, dass sich die Zeit bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses durch Betrugsvorwürfe oder eine Anfechtung noch mehr in die Länge ziehen könnte und Afghanistan ein monatelanges Machtvakuum droht.
Dabei war die Wahlbeteiligung bei der Stichwahl von letzter Woche international gelobt worden. 55 Prozent der Wahlberechtigten gingen an die Urnen. Dies, obwohl die Taliban mit Anschlägen gedroht hatten und diese auch durchgeführt hatten – 240 Tote waren denn auch die Bilanz des Tages.
Ethnischer Konflikt nicht ausgeschlossen
Ein erbitterter Machtkampf mit ethnischen Zügen gilt als nicht ausgeschlossen. Ghani ist Paschtune, Abdullah steht der tadschikischen Minderheit näher. Als mahnendes Beispiel dient der Irak, in dem sunnitische Islamisten die Kontrolle über Teile des von einer schiitischen Regierung geführten Landes übernommen haben.
Bislang plant die Wahlkommission, am 2. Juli ein vorläufiges Ergebnis mitzuteilen. Mitte Juli will die Beschwerdekommission ihren Abschlussbericht vorlegen. Am 22. Juli soll dann feststehen, wer neuer Präsident Afghanistans wird.