Die ersten Sendeminuten gingen gestern etwas steif, aber pannenfrei über den Sender: Der Moderator sprach mit zwei Korrespondenten über die neueste Entwicklung in der Ägypten-Krise. Dann gab es Informationen zu einer Schiesserei in einer Schule bei Atlanta und schliesslich einen Beitrag über die Waldbrände im Westen der USA.
Ohne viel Aufregung lief es ab. Da und dort mit etwas mehr Kontext, als üblich. Vor allem aber: wenig Gebrüll und keine Experten, die alles besser wissen.
Interesse an tiefgründigen Nachrichten
Joie Chen, eine der Starmoderatorinnen des neuen Senders, sagt es so: «Wir wollen grossartige Geschichten erzählen, Menschen zu Wort kommen lassen, die von den anderen Sendern übersehen werden. Wir wollen investigativen Journalismus betreiben.»
Bob Meyers, Präsident der National Press Foundation, ist überzeugt, dass das neue Angebot von Al Jazeera America einem Bedürfnis entspricht: «Umfragen zeigen, dass ein Teil der Amerikanerinnen und Amerikaner an tiefgründigen Nachrichten interessiert sind.» Das werde heute nur vom öffentlichen Sender PBS oder auf bestehenden Sendern in einzelnen Sendungen geboten.
Mit Stars auf Sendung
Doch solche tiefschürfenden Programme kosten viel Geld. Al Jazeeras Eigentümer, die Regierung von Katar, hat die Mittel dank unendlicher Erdöl- und Gasvorkommen. In den letzten Monaten wurden in den USA zwölf Büros eröffnet, dazu neue Studios in New York und Washington D.C. und fast 1000 Menschen angestellt. Darunter sind viele bekannte TV-Gesichter wie Joie Chen, Ali Velshi oder Soledad O'Brien.
Viele Amerikaner hören beim Begriff Al Jazeera zwar eher Al Kaida. Doch Bob Meyers glaubt nicht, dass die arabischen Wurzeln des Senders ein unüberbrückbares Hindernis sind: «Amerikaner sind fair und offen, und wenn die Qualität stimmt, werden solche Vorurteile verschwinden und sie werden sich sagen: Das ist eine gute Nachrichtenquelle.»
Wer schaltet ein?
Ob das auch das breite Publikum so sieht? Eine Strassenumfrage in Washington: Werden Sie einschalten?
«Al Jazeera America? Noch nie gehört», sagte eine Frau. Eine andere erkundigt sich nach dem Platz des Senders auf der Fernbedienung. Ein Mann sagt, er werde schauen. Dass der Sender nicht aus den USA sei, störe ihn nicht: «Das hier ist Amerika. Jeder kann hierher kommen und seine Meinung frei äussern.»
prus;brut