Trotz des Erfolgs der ägyptischen Regierung beim Verfassungsreferendum verlassen Präsident Mohammed Mursi immer mehr Minister und Berater.
Kommunikationsminister tritt zurück
Nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses erklärte Kommunikationsminister Hani Mahmud seinen Rücktritt. Er stimme mit der Kultur der Regierungsarbeit nicht überein, besonders in der gegenwärtigen Lage, schrieb der Kommunikationsminister im Kurznachrichtendienst Twitter.
Angesichts Mursis Machtkampf mit der Justiz hatten dem Präsidenten zuletzt sieben seiner 17 Topberater den Rücken gekehrt. Viele erklärten, über keine der umstrittenen Entscheidungen Mursis vorab konsultiert worden zu sein.
In seiner ersten Rede nach dem umstrittenen Verfassungsreferendum hat der Präsident zum Dialog aufgefordert. Alle politischen Kräfte sollten sich daran beteiligen, um Spannungen zu überwinden, sagte Mursi. Auch erwäge er Änderungen im Kabinett. Zugleich kündigte Mursi Schritte an, um Ägypten attraktiver für Investoren zu machen.
Verhaltene Reaktion der EU
Nicht glücklich mit der Situation in Ägypten ist auch die EU. Die Aussenbeauftragte Catherine Ashton hatte zurückhaltend auf das offizielle Ergebnis der Volksbefragung reagiert. «Ich nehme zur Kenntnis, dass die Mehrheit für die Verfassung gestimmt hat. Ich nehme ebenfalls zur Kenntnis, dass die Wahlbeteiligung bei 33 Prozent lag», teilte sie mit.
Ashton begrüsste das «friedliche und geordnete Umfeld» der Stimmabgabe. Sie rief zu verstärkten Gesprächen der politischen Lager auf und appellierte dabei insbesondere an Präsident Mohammed Mursi.
USA sagen Unterstützung zu
Die USA forderten Mursi auf, die Kluft in der gespaltenen Gesellschaft Ägyptens zu überbrücken. Zugleich riefen sie nach dem Referendum zu Verhandlungen und Kompromissen auf. Washington werde Kairo weiterhin bei dem demokratischen Übergang helfen, sagte Aussenamtssprecher Patrick Vernell. «Und wir hoffen, dass sich alle Seiten erneut einsetzen, um Gewalt zu verurteilen und zu verhindern.»
Die ägyptische Opposition befürchtet durch die neue Verfassung eine strengere Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia, welche die wichtigste Quelle der Gesetzgebung bleibt. Sie sehen sich in dem Verfassungsentwurf nicht repräsentiert. Deshalb hatte es in den vergangenen Wochen immer wieder heftige Proteste und zum Teil tödliche Krawalle gegeben.
Verstösse gegen das Wahlrecht
Der Vorsitzende der Wahlkommission, Samir Abu al-Maati, ging bei der Vorstellung der Ergebnisse auch auf die Beschwerden von Aktivisten ein, die zahlreiche Verstösse gegen das Wahlrecht monierten und das Referendum anfechten wollen.
Weil einige Wahllokale später geöffnet hätten, seien die Öffnungszeiten landesweit verlängert worden, erläuterte Al-Maati. Die Stimmen aus jenen Wahllokalen, die dennoch früher geschlossen hätten, würden in der Auswertung nun nicht mehr berücksichtigt. Die Beschwerden sollten im Internet veröffentlicht werden.
Binnen zwei Monaten muss nun ein neues Parlament gewählt werden. Die Bekanntgabe des Wahltermins wird in den kommenden Tagen erwartet. Das erste nach dem Arabischen Frühling gewählte Unterhaus war im Sommer von einem Gericht aufgelöst worden. Darin hatten die Islamisten eine deutliche Mehrheit.
Oberhaus beschliesst Gesetze
Heute kam aber zunächst der Schura-Rat, das Oberhaus im Parlament, zu seiner ersten Sitzung zusammen. Die Schura soll so lange Gesetze beschliessen, bis ein neues Unterhaus gewählt ist – die Wahl soll in den nächsten zwei Monaten stattfinden.
Der islamistische Präsident Mohammed Mursi hatte erst am Wochenende das noch fehlende Drittel der 270 Mitglieder der zweiten Parlamentskammer ernannt. Zwei Drittel der Mitglieder hatten ihr Schura-Mandat bei den Wahlen zu Jahresbeginn 2012 errungen.