Der stellvertretende griechische Finanzminister Dimitris Mardas hat die Reparationsforderungen Griechenlands für die Zeit des Nationalsozialismus auf 278,7 Milliarden Euro beziffert. Das Thema belastet die deutsch-griechischen Beziehungen seit Jahrzehnten.
Mardas zufolge wird allein für einen von den Nazis auferlegten Zwangskredit eine Rückzahlung von 10,3 Milliarden Euro fällig. Die restliche Summe diene zur Entschädigung von Bürgern sowie zur Wiedergutmachung von Kriegsschäden.
Auf die Gesamtsumme von 278,7 Milliarden Euro komme nach einer ersten Auswertung ein Parlamentsausschuss, der sich mit den Entschädigungen befasst, teilte der stellvertretende griechische Finanzminister am späten Montagabend im griechischen Parlament mit.
Zu den Reparationsforderungen gibt es bereits eine umfangreiche griechische Studie. Auf deren Grundlage prüfen der Parlamentsausschuss und der Oberste Gerichtshof des Landes zurzeit, wie mögliche Reparationsforderungen an Deutschland erhoben werden können.
Linke fordern Begleichung der Forderungen
Die Gesamtforderungen werden in der Studie auf eine Höhe zwischen 269 und 332 Milliarden Euro beziffert. Die deutsche Regierung sieht die Entschädigungsfrage dagegen als erledigt an. Berlin verweist auf eine Einigung von 1960 mit Griechenland und anderen betroffenen Staaten. Aus Sicht Deutschlands schliesst der 4+2-Vertrag von 1990 zudem künftige Reparationsforderungen aus.
Diese Haltung stösst jedoch auf Kritik aus dem linken Lager der Politik. Linken-Chef Bernd Riexinger rief die Bundesregierung auf, die Forderungen aus Athen nicht länger abzuweisen. «Die Zwangsanleihe, die Nazi-Deutschland Griechenland abgepresst hat, muss zurückgezahlt werden», sagte Riexinger in Berlin.
Altkanzler Helmut Kohl habe 1990 die Rückzahlungen Deutschlands an Griechenland mit «faulen Tricks» verhindert. «Die Bundesregierung täte gut daran, mit dem zuständigen Parlamentsausschuss der griechischen Regierung zu kooperieren und sich endlich auf den Weg des Dialogs, der Verständigung und des Rechts zu begeben», erklärte der Linken-Chef.
Grüne fordern mehr Sensibilität
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte in der Debatte mehr «Sensibilität» von der Bundesregierung. «In Griechenland ist der Schmerz über die NS-Verbrechen viel präsenter, als sich das viele in Deutschland vorstellen», erklärte Hofreiter. Die Vergangenheit sei weder politisch noch moralisch abgeschlossen. «Deswegen liegen all jene falsch, die einen Schlussstrich fordern.»
Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hingegen kritisierte, die Forderungen nach Wiedergutmachung würden mit den Verhandlungen über weitere Finanzhilfen vermischt. «Ich finde es ehrlich gesagt dumm», sagte Gabriel.
Beide Dinge hätten nichts miteinander zu tun, seien aber sehr aufgeladen, sagte der deutsche Vizekanzler bei einer Diskussionsveranstaltung in seinem Ministerium. Das bringe die Stabilisierung Griechenlands «keinen Millimeter voran».
Gabriel gesteht moralische Verantwortung ein
Zugleich gebe es natürlich die moralische Verantwortung, sagte Gabriel. Es dürfe keinen Schlussstrich geben. Es gebe heute auch ein Stück weit eine ökonomische Verantwortung. «Das hat auch etwas mit Fairness zu tun», betonte Gabriel.
«Wir müssen verdammt viel Respekt davor haben, was die Menschen in Griechenland schultern.» Sie müssten die Opfer bringen für das Versagen der Eliten: «Sie haben das Land ausgeplündert.» Das Land müsse im Euro wieder auf die Beine kommen – «und nicht ausserhalb».
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hatte im März im Parlament gesagt, mit der Bildung des Ausschusses «ehren wir alle Opfer des Zweiten Weltkrieges und des Nazismus (...) sowie des griechischen Widerstandes. Wir vergessen nicht, dass das deutsche Volk auch unter den Nazis gelitten hat», fügte er hinzu.