Die dänische Polizei hat am Sonntagabend weitere Angaben zum mutmasslichen Attentäter von Kopenhagen gemacht: Der 22-jährige Mann, der in Dänemark geboren wurde, sei im Vorfeld durch verschiedene Straftaten wie Waffenbesitz, Gewalttaten und Bankenkriminalität aufgefallen. Sein Name wurde nicht veröffentlicht.
Von «Charlie Hebdo» inspiriert
Laut Medienberichten sass der Mann bis vor wenigen Wochen wegen einer Messerattacke in einer S-Bahn im Gefängnis. Dort sei er den Behörden aufgefallen, weil er extremistische Einstellungen geäussert habe, meldet die Nachrichtenagentur Ritzau. Eine entsprechende Warnung sei an den Geheimdienst weitergegeben worden.
Die Sicherheitsbehörden hatten bereits am Sonntagnachmittag ebenfalls erklärt, dass der Mann dem Geheimdienst bekannt war. Genauere Angaben machten sie dazu aber nicht. Die Behörden gehen davon aus, dass die Pariser Terrorakte ihn zu seinen Taten angeleitet haben könnten.
Vermehrt dschihadistische Einzeltäter
Für den Terrorismus-Experten Rolf Tophoven sind denn auch die Parallelen der Anschläge in Kopenhagen mit Paris unübersehbar. «Wir müssen in Zukunft davon ausgehen, dass die Dschihad-Kultur, befeuert von den sozialen Medien, nicht nur inspirierend wirkt, sondern auch zu mehr Taten führend wird», zeigt er sich überzeugt.
Im Interview mit der «Tagesschau» sagte Tophoven, dass in Zukunft immer mehr Einzeltäter in Erscheinung treten werden, die sich virtuell (im Internet) radikalisieren. Die terroristische Kleingruppe habe die logistische Grossorganisation wie für «9/11» in den USA abgelöst.
Traumatisch sind solche Anschläge alleweil, unabhängig von wem sie ausgeführt werden. Auch in der dänischen Hauptstadt herrschte zeitweise Panik und Chaos.
Das Geschehen spielte sich in einem engen Umkreis in der Innenstadt ab. Doch die Lage war über Stunden völlig unklar. Auch die deutsche Bundespolizei war im Einsatz und überwachte an den drei Flensburger Grenzübergängen den Verkehr. Die Polizei konnte die Spur des Mannes durch Videoaufzeichnungen von den einzelnen Schauplätzen nachvollziehen.
Dänemarks Juden stehen nicht alleine da!
Dänemark habe einige Stunden erlebt, die das Land nicht vergessen werde, sagte die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt nach den Anschlägen. «Wir wissen nicht, was die Motive für die Attacken waren, aber wir wissen, dass es Kräfte gibt, die Dänemark schaden wollen, die unsere Meinungsfreiheit und unseren Glauben an Freiheit zerstören wollen», soThorning-Schmidt.
Sie brachte auch ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinde zum Ausdruck. «Die jüdische Gemeinde ist ein wichtiger Teil von Dänemark. Ihr steht nicht alleine da», sagte sie.
«Momente des Horrors» in Kopenhagen
Die dramatischen Stunden begannen am Samstag um 15.33 Uhr. Der junge Täter beschoss mit einer automatischen Waffe von aussen das Kulturzentrum, in dem eine Veranstaltung zum Thema «Kunst, Gotteslästerung und Freie Rede» stattfand. Laut dem französischen Botschafter François Zimeray fielen die Schüsse, kurz nachdem er als Ehrengast gesprochen hatte. «In wenigen Sekunden war mir klar, dass wir dasselbe erleben wie in Paris».
Ein Gast starb, Augenzeugen zufolge handelt es sich um den 55-jährigen Filmregisseur Finn Nørgaard, berichtet die Zeitung «Ekstra Bladet». Drei Polizisten wurden verletzt. Der Angriff in dem Kulturcafé galt vermutlich dem schwedischen Zeichner Lars Vilks. Islamisten kritisieren ihn seit Jahren wegen seiner Mohammed-Karikaturen. Er war bereits mehrfach Ziel von Anschlägen. Islamisten haben ein Kopfgeld von 150'000 Dollar auf ihn ausgesetzt. Vilks blieb bei dem Anschlag unverletzt. Er hatte sich mit einer Organisatorin der Diskussion in einem Kühlraum versteckt.
Rund 80 Menschen in der Synagoge
Nach dem Anschlag setzte eine Grossfahndung ein. Der Attentäter flüchtete in einem Kleinwagen. Der Polizei zufolge stellte er das Auto ab und liess sich per Taxi in eine rund vier Kilometer entfernte Wohnung fahren. Etwa zehn Stunden nach dem ersten Anschlag eröffnete wahrscheinlich derselbe Täter nach Mitternacht das Feuer auf eine rund 500 Meter von der Wohnung entfernte Synagoge.
Dort wurde ein Mann von einer Kugel tödlich in den Kopf getroffen – nach Angaben der jüdischen Gemeinde ein 37 Jahre alter Wachmann, der die Besucher am Eingang kontrolliert hatte. Zwei Polizisten wurden verletzt. Zu einer Bat-Mizwa-Feier waren in dem Gebäude rund 80 Menschen versammelt.
Wachmann warnte die Feiernden
Nachdem die ersten Schüsse gefallen waren, hatte der Wachmann offenbar die Feiernden gewarnt und aufgefordert, in den Keller zu gehen. Später half er mit, die Anwesenden durch einen Notausgang in Sicherheit zu bringen – bevor er selbst zum Opfer wurde. Nach Angaben des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, Dan Rosenberg Asmussen, gelang es dem Angreifer indes nicht, in die Synagoge vorzudringen.
Währenddessen hatte die Polizei nach eigenen Angaben Stellung vor einer Wohnung nahe des Bahnhofs Nørreport bezogen. Die Adresse habe sie von dem Taxifahrer bekommen, dessen Fahrgast der Mann war. Kurz vor 5.00 Uhr kehrte der Attentäter dorthin zurück. Die Sicherheitskräfte riefen ihm zu. Er eröffnete den Angaben zufolge sofort das Feuer. Die Beamten schossen zurück und trafen den mutmasslichen Terroristen tödlich – gut 13 Stunden nach dem ersten Anschlag.