In Tunesien ist heute die Stichwahl um das Präsidentenamt über die Bühne gegangen. Dabei konnten die mehr als fünf Millionen registrierten Wähler des nordafrikanischen Landes erstmals seit der Revolution vor vier Jahren in einer freien und direkten Abstimmung einen Staatschef bestimmen.
«Der Wahltag in Tunesien ist erstaunlich ruhig und positiv verlaufen», fasste SRF-Korrespondent Beat Stauffer die Ereignisse des Tages zusammen. Zwar habe es kleinere Zwischenfälle gegeben, aber insgesamt sei die Wahl eine sehr positive Sache gewesen.
«Viele Junge haben sich von der Politik abgekoppelt»
Der Urnengang schliesst einen nach dem Arabischen Frühling 2011 begonnenen Demokratisierungsprozess in Tunesien ab. «Die beiden Kandidaten stehen aber nicht wirklich für einen Neuanfang in Tunesien», so Beat Stauffer. «Sie sind zu alt und – zumindest Essebsi – auch mit dem alten Politik-Establishment verbunden.»
Für Beat Stauffer ist klar, dass sich die Tunesier mit dieser Wahl für ein künftiges Gesellschaftsmodell entscheiden müssen. «Entweder für ein säkulares Modell, das Essebsi verkörpert, oder für ein islamistisches Modell, für das Moncef Marzouki steht.»
In den Wahllokalen der Hauptstadt Tunis blieben die Menschenmassen aus. Auch in anderen Abstimmungszentren herrschte wenig Betrieb. Für Stauffer kein Zufall. Denn zwar sei der Übergang von einer totalitären Diktatur zur Demokratie gelungen, das aber bisher nur auf der Ebene der Institutionen. Bei den Tunesiern selbst sei das nicht so. Vor allem viele Junge hätten sich von der Politik abgekoppelt und wollten mit dieser nichts zu tun haben.
«Das ist für die Zukunft ein sehr grosses Problem. Denn wenn es nicht gelingt, diese jungen Menschen zu motivieren, mitzumachen beim Aufbau des neuen Tunesiens, dann werden auch diese politischen Institutionen nichts nutzen», so Beat Stauffer.