Es gibt Wahrheiten, die sind unangenehm für ein Land – und diese Wahrheit ist unangenehm – für Belgien: Man könne Waffen in Marseille kaufen, in Paris, in Madrid – überall, wo es Kriminelle gebe, aber Belgien sei ein spezielles Pflaster – sagt Nils Duquet. Er arbeitet beim flämischen Friedensinstitut in Brüssel und gilt als einer der Spezialisten, wenn es um den illegalen Waffenhandel geht.
Starke Rüstungsindustrie
Belgien hat seit Jahrzehnten eine starke eigene Rüstungsindustrie und bis 2006 hatte das Land auch ein sehr liberales Waffenrecht. Jeder konnte sich hier legal eine Waffe kaufen, man musste nur die Identitätskarte vorweisen. Weil die Nachbarländer viel restriktivere Gesetze hatten, kamen auch viele Ausländer nach Belgien und kauften sich hier ihre Waffe – davon hätten auch Kriminelle ganz legal profitiert.
So sei Belgien für Kriminelle ein wichtiger Ort geworden – mit der Zeit hätten sich Strukturen entwickelt, die noch heute existierten und die erklärten, warum Belgien immer noch ein so zentraler Ort für den illegalen Waffenhandel sei, erklärt Duquet. Daran habe sich auch nichts geändert, nachdem Belgien 2006 das Waffenrecht massiv verschärft habe.
Wichtiger Markt für Kalaschnikows
Dabei sei Belgien laut Duquet ein wichtiger Markt für Waffen, die in Belgien selber produziert würden; aber auch für Kalaschnikows etwa. Die meisten Kalaschnikows stammen aus den Ländern des früheren Jugoslawien. Seit der Krieg dort zu Ende sei, würden sie nicht mehr gebraucht; die Leute würden sie verkaufen oder gleich selber in die EU schmuggeln; wenn sie erst mal in der EU seien, könnten sie hier praktisch ungehindert von einem Ort zum anderen verschoben werden, da es in der Schengenzone keine Grenzkontrollen mehr gebe.
Bei den Brüdern Kouachi etwa führen die Spuren klar nach Brüssel. Sie sollen hier ihre Waffen – darunter auch eine Kalschnikow – gekauft haben, mit denen sie Anfang Jahr Charlie Hebdo überfielen.
Die belgische Regierung weiss, dass Belgien ein wichtiger Ort für den illegalen Waffenhandel ist. So hat sie auch 2006 das Waffengesetz verschärft. Trotzdem habe der Staat noch erhebliche Defizite beim Kampf gegen den illegalen Waffenhandel, sagt Duquet.
Wenn in Belgien jemand erwischt werde, weil er illegal eine Waffe kaufe, werde er bestraft. Der Fall werde registriert, aber dann wandere dieser ins Archiv. Es gebe in Belgien keine ausgeklügelten Datenbanken, welche es den Behörden erlaubten das Problem zu bekämpfen und auch zu analysieren. Zwar verspreche jede Regierung immer wieder von neuem, dass sie hier vorwärts mache, aber am Schluss scheitere es immer an den Ressourcen.