Ein Mailänder Gericht verurteilte den Ex-Premier in erster Instanz zu einer Haftstrafe von sieben Jahren. Zudem darf der 76-Jährige keine öffentlichen Ämter mehr ausüben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, sollte eine der beiden Seiten Berufung einlegen. Es wird erwartet, dass Berlusconis Anwälte das Urteil anfechten. Der Ex-Premier hatte sich als völlig unschuldig bezeichnet. Definitiv wird die Verurteilung erst in dritter Instanz.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von sechs Jahren gefordert. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Es ist der zweite Schuldspruch gegen Berlusconi innerhalb weniger Wochen. Bereits im Mai war er wegen Steuerbetrugs verurteilt worden.
Druck auf Polizei ausgeübt
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Berlusconi bei den angeblich «Bunga-Bunga»-Nächten in seiner Villa Arcore bei Mailand mit der minderjährigen Marokkanerin «Ruby» Sex gegen Geld hatte. Berlusconi und die Tänzerin hatten das stets bestritten.
Die drei Mailänder Richterinnen befanden Berlusconi auch des Amtsmissbrauchs für schuldig. Der damalige Ministerpräsident soll mit Anrufen bei der Polizei nach einer Festnahme «Rubys» im Mai 2010 ihre Freilassung erwirkt haben.
«Staatsstreich»
Berlusconi warf dem Gericht vor, ihn mit Gewalt aus dem politischen Leben verdrängen zu wollen. Das Urteil sei «brutal». Er sei unschuldig und werde dagegen angehen. «Ich habe nicht die Absicht, meinen Kampf für ein wirklich freies und gerechtes Italien aufzugeben», erklärte Berlusconi.
Der «Ruby»-Prozess habe sein internationales Ansehen beschädigt, hatte er zuvor beklagt. Die angeblichen «Bunga-Bunga»-Feste seien nur «elegante Abendessen» gewesen.
Auch Anwälte und Parlamentarier von Berlusconis Mitte-Rechts-Allianz haben empört auf die Strafe reagiert. Berlusconis Anwalt sprach von einem «Urteil fern jeglicher Logik». Der Parlamentarier Gianfranco Rotondi sprach von einem «Staatsstreich».
Politische Konsequenzen
Das Urteil könnte die ohnehin fragile Koalition von Ministerpräsident Enrico Letta – in der Berlusconis Mitte-Rechts-Partei Volk der Freiheit mitregiert – noch mehr in Bedrängnis bringen.
Politisch werde Berlusconi immer mehr zu einer Persona non grata, so Philipp Zahn, SRF-Korrespondent in Rom. Auch wenn er noch gegen den Richterspruch in Revision gehen kann: «Es bleibt ein schweres Gewicht, das Berlusconi die nächsten Monate oder gar Jahre mit sich schleppen muss.» Schwer wiegt auch, dass er laut Richterspruch keine öffentlichen Ämter mehr übernehmen darf. Für Berlusconi als Politiker mit Ambitionen sei dies katastrophal.
Italien müsse momentan aus der Krise geführt werden, sagt Zahn. Das Land könne es nun nicht brauchen, dass Berlusconi der Regierung Knüppel auf den Weg wirft und auf Neuwahlen spekuliert, «um dann vielleicht wieder als Volkstribun mit seiner populistischen Art auf Stimmenfang zu gehen.» Dies könne dem Land nur schaden.