Vor dem Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Budapest protestierten in der ungarischen Hauptstadt am Sonntag Tausende gegen die «uneuropäische» Politik von Ministerpräsident Viktor Orban. Auch für heute, wenn Merkel anreist, sind Proteste gegen ihn angekündigt.
Beim Treffen mit Orban werde es um die Ukraine-Krise gehen, sagt das Auswärtige Amt in Berlin. Die Kanzlerin setzt auf eine rasche Fortsetzung der abgebrochenen Ukraine-Verhandlungen im weissrussischen Minsk. Das sagte sie nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert am Sonntag in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und dem französischen Staatschef François Hollande.
In gut zwei Wochen empfängt Orban nämlich den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Budapest. Ein Ereignis, das wegen des Kriegs in der Ukraine von den westlichen Bündnispartnern genau beobachtet wird.
Merkel soll Menschenrechtslage ansprechen
Der rechtskonservative Orban ist in der EU aber nicht nur wegen seiner Anlehnung an Russland umstritten, sondern auch wegen seines autoritären Regierungsstils. Merkel will bei ihrer mehrstündigen Visite deshalb auch auf die Wahrung von Meinungs- und Pressefreiheit in Ungarn pochen.
Dies fordern auch verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NGO): Amnesty International rief die Kanzlerin dazu auf, Orban auf Schikanen gegen die Zivilgesellschaft anzusprechen. Es gebe «Anzeichen einer Hexenjagd» auf NGOs, sagte Selmin Caliskan, die Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation in Deutschland.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen forderte Merkel auf, sich bei Orban für mehr Meinungsfreiheit einzusetzen. Zudem erwartet die Gesellschaft für bedrohte Völker von Merkel, dass sie «das Problem der rassistischen Hetze gegen Roma offen anspricht und zugleich Hilfe zur Verbesserung ihrer Lage anbietet», wie Jasna Causevic, Südosteuropa-Referentin der NGO zu Medien sagte.
Viktor Orbans umstrittene Massnahmen
Ungarns Ministerpräsident Orban sorgte in den vergangenen Jahren mit seinen Äusserungen und Massnahmen immer wieder für Aufreger in der EU wie auch im eigenen Land. Im Juli 2014 erklärte er, dass in Ungarn die «illiberale Demokratie» errichtet würde. Als Vorbilder nannte er Russland, China, Singapur und die Türkei. Bei den westlichen Partnern löste dies Kopfschütteln aus.
Im Oktober 2014 demonstrierten bis zu 100'000 Menschen in Budapest. Der Grund: Orban stellte in Aussicht, den Datenverkehr im Internet zu besteuern. Zusätzlich zu den heftigen Protesten seiner Landsleute meldete auch die EU-Kommission Bedenken gegen das Vorhaben an. Orban beerdigte den Plan.
Die Pressefreiheit hatte Orban bereits Anfang 2011 angegriffen. Ein von ihm iniziiertes Mediengesetz trat damals in Kraft und schränkte die Freiheit von Journalisten ein. Nach Protesten, EU-Verfahren und Entscheiden des Verfassungsgerichts wurden einige Bestimmungen abgeschwächt oder ausser Kraft gesetzt.