«<Fuck the EU> – das ist natürlich eine grobe Peinlichkeit und eigentlich auch unverzeihlich.» Thomas Borer nimmt gleich zu Beginn kein Blatt vor den Mund. Denn gerade US-Diplomaten sollte doch seiner Ansicht nach eigentlich besser als alle anderen wissen, dass Telefonate abgehört werden können.
Doch nun ist das Kind in den Brunnen gefallen und die Worte gesagt. Was sollte ein Top-Diplomat jetzt tun? «Generell gibt es dafür keine Handlungsanleitung oder gar feste Weisungen», so der ehemalige Botschafter der Schweiz in Deutschland.
Aber natürlich müsse man sich bei den wichtigen Meinungsmachern auf der andern Seite entschuldigen, auch wenn man selbst sich wahrscheinlich am liebsten eingraben wolle. «Zudem würde ich in dem aktuellen Fall, wenn ich Vorgesetzter wäre, die Frau aus der Schusslinie nehmen und sie mit anderen Aufgaben betrauen.»
Der «Fall Jagmetti» und die Schweiz
Borer selbst blieb nach eigener Aussage von derlei Missgeschick während seiner Karriere verschont. Aber als Chef der Taskforce habe er 1997 miterleben müssen, wie eine wichtige Note des Schweizer Botschafters in den USA den Weg in die Medien fand.
Das Dokument enthielt Strategien zur Lösung des Streits um die nachrichtenlosen jüdischen Vermögen. Vor allem wegen des aggressiven Vokabulars wurde es dem Botschafter zum Verhängnis.
«Das führte damals in gewissen Kreisen zu einem Sturm der Entrüstung und letztlich musste der Botschafter dann seinen Rücktritt einreichen.» Das ganze ging später als der «Fall Jagmetti» in die Schweizer Geschichte ein.
Auswirkungen auf politischer Ebene werde der jüngste Vorfall aber nicht haben, ist sich Thomas Borer sicher. Gemessen an NSA-, Prism- und Snowden-Affäre sei der jüngste Eklat eine eher kleine Sache.
«Fussballregeln eignen sich nicht für Football»
Aber der Ton mache nun einmal die Musik und wenn das Telefonat eines gezeigt habe, dann wie gering die Wertschätzung der USA gegenüber der EU sei.
Zuweilen frage er sich deshalb, wie lange die EU noch in ihrer devoten Haltung gegenüber den USA verharren wolle.
«Wir Europäer spielen Fussball, die USA American Football. Wenn wir meinen, wir könnten unter Einhaltung der Fussballregel im American Football gewinnen, dann täuschen wir uns. Das gilt im Übrigen auch für die Schweiz», macht Borer seine Sicht der Dinge klar.
Mikrofonpannen und heimliche Mitschnitte
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Bild 1 von 5. Mitt Romney:. Bei einem privaten Empfang für Unterstützer zieht der republikanische Präsidentschaftskandidat im US-Wahlkampf 2012 über Wähler des demokratischen Präsidenten Barack Obama her. Viele von ihnen seien Abzocker, zahlten keine Steuern und verlangten Fürsorge vom Staat. Ein inksgerichtetes Magazin veröffentlicht das heimlich gedrehte Video. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 5. Obama und Sarkozy:. Am Rande des G20-Gipfels 2011 lästert der US-Präsident mit Frankreichs Premier Nicolas Sarkozy über Israels Ministerpräsidenten. «Ich kann ihn nicht mehr sehen, das ist ein Lügner», soll Sarkozy über Benjamin Netanjahu gesagt haben. Obama habe geantwortet: «Du bist ihn leid, aber ich habe jeden Tag mit ihm zu tun.». Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 5. Gordon Brown: . Im Endspurt des Wahlkampfes 2010 beschimpft der britische Premier eine 65 Jahre alte Wählerin als «verbohrt». Nach dem Gespräch mit ihr sagt er: «Das war ein Desaster - sie hätten mich niemals mit dieser Frau zusammenbringen dürfen.» Was Brown nicht ahnt: Das Mikro eines TV-Senders steckt noch an seinem Hemd. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 5. George W. Bush:. Am Rande des G8-Gipfels in St. Petersburg Mitte 2006 lästert der frühere US-Präsident bei eingeschaltetem Mikro über langatmige Reden und kritisiert den damaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Zum Konflikt zwischen Israel und Libanon merkt er an, der «Scheiss» müsse bald beendet werden. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 5. Ronald Reagan:. Vor einer Radioansprache scherzt der damalige US-Präsident 1984, die USA hätten die Sowjets gerade für «vogelfrei» erklärt. «Wir beginnen in fünf Minuten mit der Bombardierung.» Dass er schon mitgeschnitten wird, ahnt er nicht. Bildquelle: Keystone.