Bulgarien hat einen Zaun, Wärmekameras und Soldaten an der Grenze zur Türkei. Und doch starrt es nervös auf die waldigen Grenzgebiete. Nun sorgt eine wacklige Videoaufnahme in Bulgarien für Diskussionen. Sie zeigt drei Männer, vermutlich Afghanen, im Gehölz. Sie liegen auf dem Bauch am Boden, zwei von ihnen wurden die Arme mit Kabelbindern hinter dem Rücken gefesselt, beim dritten geschieht es gerade.
Man sieht die schwarzen Stiefel der Täter, ihre Kampfhosen, und man hört ihre Stimmen. «Geht zurück in die Türkei! Kein Bulgarien für euch! Zurück, jetzt sofort!», sagen sie. Und die Opfer scheinen die Botschaft zu verstehen.
Gefährliche Entwicklung
Das Vorgehen der freiwilligen Grenzschützer sei gelinde gesagt rechtswidrig, sagte der Chef der bulgarischen Grenzpolizei nach der Ausstrahlung. Noch wenige Tage zuvor hatte er einer anderen Bürgerwehr eine Auszeichnung dafür verliehen, dass sie 23 Migranten aufspürte und der Grenzpolizei meldete. Auch der bulgarische Premierminister fand dafür lobende Worte. Er sprach von «guten Jungs» und davon, dass jede Unterstützung der Grenzpolizei wertvoll sei.
Dabei war längst zu erkennen, dass eine gefährliche Entwicklung im Gange war. So feierte ein Moderator des bulgarischen Frühstücksfernsehens einen Mann als Superhelden, der damit prahlte, mindestens zwanzig Migranten mit blossen Händen gefangen zu haben. Ausserdem schlug der Mann vor, dass der Staat für jeden gefassten Eindringling eine Belohnung bezahlen sollte.
Unberechenbarer Raum der Selbstjustiz
Jetzt, nach der stolz gefilmten Misshandlung der drei Afghanen, kippt die Stimmung. Bei manchen Politikern und in den sozialen Medien stossen die Täter zwar nach wie vor auf Applaus. Doch einer wurde inzwischen gefasst und verhört. Und viele Politiker warnen, Flüchtlinge könnten nicht nur widerrechtlich gefasst und zurückgeschickt, sondern auch ausgeraubt werden.
Menschenrechtsorganisationen fordern, man solle die Bürgerwehren nicht mehr ermutigen. Doch von einer solchen Kehrtwende will die Regierung nichts wissen. Die bulgarische Innenministerin sagte zuletzt, die Unterstützung an der Grenze sei weiterhin geschätzt. Doch wer eine Bürgerwehr auf die Beine stelle, solle sich bei den Behörden melden. Und wer auf Flüchtlinge stosse, solle die Polizei rufen und den Aufgespürten erklären, dass sie doch bitte warten sollen. Das ist kein sehr realistisches Szenario. Damit bleibt die türkisch-bulgarische Grenze wohl ein unberechenbarer Raum der Selbstjustiz.