Grossbritanniens Premierminister David Cameron hat die geforderte Nachzahlung von rund 2,1 Milliarden Euro (rund 2,5 Milliarden Franken) aus Brüssel erneut zurückgewiesen. Sie sei in dieser Höhe «nicht akzeptabel», sagte er im britischen Parlament – und schob nach: «Wir werden keine zwei Milliarden Euro an irgendwen zahlen am 1. Dezember.»
Es sei zwar normal, dass Staaten je nach wirtschaftlicher Entwicklung mal nachzahlen müssten, mal etwas zurück bekämen. Eine Forderung in dieser Höhe habe es aber noch nie gegeben. Bereits am letzten Freitag hatte Cameron am EU-Gipfel in Brüssel für einen Eklat gesorgt, indem er die Rechnung als «vollkommen unannehmbar» bezeichnete.
Wahltaktisches Manöver?
Cameron habe sich auf eine riskantes Spiel eingelassen, so SRF-Korrespondent Urs Gredig. Es zweifle niemand, dass er die Rechnung aus Brüssel irgendwann bezahlen müsse. «Aber Cameron wehrt sich hier wohl vor allem als EU-Kritiker. Er will sich als Kämpfer gegen die EU-Bürokratie zeigen», so Gredig.
Vor allem gegenüber seiner eigenen Partei. Denn die Zahl der EU-Skeptiker wachse bei den Torys fast täglich. «Ein Familienstreit so kurz vor den Wahlen kann sich Cameron schlicht nicht leisten».
Die regierende Konservative steht vor den Parlamentswahlen im Frühjahr unter massivem Druck EU-skeptischer Kräfte. Bei den Europawahlen im vergangenen Mai war die EU-feindlichen United Kingdom Independence Party (Ukip) stärkste Kraft geworden.
Der Premier hat den Briten seinerseits bei einer Wiederwahl für 2017 ein Referendum über den Verbleib in der EU versprochen.
Brüssel droht mit Strafzahlungen
Die EU-Kommission verteidigte derweil ihre Nachforderung. Die EU-Staaten hätten bereits Mitte Oktober gewusst, welche Forderungen auf sie zukommen würden, sagte EU-Haushaltskommissar Jacek Dominik in Brüssel. «Ich war überrascht von der Reaktion, weil es bis zu diesem Moment keinerlei Signal aus der britischen Verwaltung gab, dass sie ein Problem mit dieser Zahl haben.»
Nach dem geltenden Verfahren werde Brüssel die Regierung in London in einem Schreiben zunächst um eine Erklärung für die Zahlungsverweigerung bitten, sagte EU-Budgetkommissar Jacek Dominik. Sollte die Frage dadurch nicht geklärt werden, müsse die EU-Kommission dem Land «Strafzahlungen auf die fälligen Summen auferlegen». Einen Zahlungsaufschub schloss Dominik mit Blick auf die geltenden Regeln aus: «Es gibt keine Möglichkeit für eine solche Lösung.»
Bei einer Überarbeitung stünde indes auch der seit 1984 geltende Abschlag für Grossbritannien, der sogenannte Britenrabatt, zur Disposition. «Wenn man dieses Gesetz für künftige Verhandlungen öffnet, öffnet man die Box der Pandora.» Dominik wies darauf hin, dass der Rabatt im kommenden Jahr grosszügiger ausfallen werde. Im vergangenen Jahr hatte er laut EU-Kommission 4,3 Milliarden Euro betragen.
Die Nachzahlungen fallen dieses Jahr allerdings weitaus höher aus als gewöhnlich, weil sie erstmals auf der Grundlage neuer Regeln zur Berechnung der Bruttoinlandsprodukte errechnet wurden. Laut der EU-Kommission dürfte London jedoch nicht überrascht sein, da es selbst die Zahlen zur Berechnung der Nachzahlung lieferte.