Der Legende nach soll der venezianische Händler Marco Polo 1273 auf seiner Reise nach Osten bis nach China gereist sein. Er folgte dabei mehrheitlich der sogenannten Seidenstrasse. Diese Handelsroute, einst ein Netz von Karawanenstrassen, hat bis heute ihre Bedeutung nicht verloren – im Gegenteil.
Der grosse Unterschied: Heute wird die «neue Seidenstrasse» aus dem Osten Richtung Europa dominiert: China ist die treibende Kraft für die Förderung des Welthandels auf diesen jahrhundertealten Routen. Für den Ausbau von See- und Landwegen investiert China rund 40 Milliarden Dollar. Und mindestens 10 Milliarden Dollar sollen für den Bau von Infrastruktur nach Osteuropa fliessen.
Viel Geld am «16+1-Gipfel» mit China
Genau dafür ist der chinesische Regierungschef Li Keqiang höchstpersönlich in die serbische Hauptstadt Belgrad gereist. 16 Länder in der Region rangeln um die geplanten Investitionen Pekings. Li Keqiang verwies auf die hohen Devisenbestände seines Landes, die es zu einem ernsthaften und dauerhaften Wirtschaftspartner machten.
Der zweitägige Wirtschaftsgipfel, an dem mehr als 200 chinesische Unternehmen teilnehmen, wurde mit zahlreichen bilateralen Treffen der Regierungschefs eingeleitet. Alle Staaten konnten dabei China ihre Investitionsvorhaben präsentieren.
Besonders gute Chancen hat nach Darstellung von Li Keqiang der Neubau der 350 Kilometer langen Eisenbahnverbindung zwischen Belgrad und Ungarns Hauptstadt Budapest. Er will in Belgrad mit Ungarn und Serbien einen entsprechenden Vorvertrag im Umfang von 1,5 Milliarden Euro unterzeichnen.
Insgesamt plane China Investitionen von 8 Milliarden Euro, kündigte Li Keqiang am Montag an.
Schwerpunktland Serbien
Hoch in der Gunst Chinas steht Serbien, wo bereits mehr als 2 Milliarden Euro investiert wurden. Als Beweis des Investitionswillens wird die neue Zemun-Borča-Brücke über die Donau eingeweiht. Sie wurde von der chinesischen Exim Bank zu 85 Prozent mit 170 Millionen Euro finanziert und vom chinesischen Baukonzern China Road and Bridge Corporation (CRBC) zusammen mit serbischen Subunternehmern gebaut.
Auch der Kleinstaat Montenegro profitiert. Ein erstes Autobahnteilstück Richtung Norden wird von der chinesischen Exim Bank mit einem Kredit von 690 Millionen Euro finanziert.
Im Westen Mazedoniens bauten chinesische Firmen eine Autobahn mit einem Bauvolumen von 375 Millionen Euro. Zwar lobt Regierungschef Nikola Gruevski «die grösste Investition in die Infrastruktur seit 50 Jahren». Aber das Geschäft läuft auch hier gleich: chinesische Bankkredite und chinesische Baufirmen, die damit bezahlt werden. Für die einheimischen Subunternehmen fallen lediglich Brosamen ab.
Trotzdem sind Gelder aus Peking hoch willkommen, weil in Mitteleuropa riesige Investitionen für die vernachlässigte Infrastruktur dringend nötig sind. Die Mittel der Weltbank oder EU reichen nicht aus. Und viele Länder, die (noch) nicht der EU angehören, finden schlicht keine anderen Geldgeber.
Die «neue Seidenstrasse»
China will aber auch bessere Gütertransport-Verbindung nach Europa. Dafür werden Häfen, Strassen, Eisenbahn-Linien, Kraftwerke und Telekommunikationsinfrastruktur finanziert. Für diese Wirtschaftskorridore hat China rund 40 Milliarden US-Dollar bereitgestellt, Zum «Seidenstrassen-Projekt» gehört heute schon ein Güterzug, der über mehr als 10'000 Kilometer von China nach Duisburg (D) fährt, die Logistik-Drehscheibe im Herzen Deutschlands.
Am 10. Dezember traf ein im Osten Chinas gestarteter Güterzug nach drei Wochen Fahrt in Madrid ein. 40 Waggons transportierten über 13'000 Kilometer Gebrauchsgüter und fahren mit spanischen Landwirtschaftsgütern wieder zurück nach China.
Wichtigstes Argument für die «neue Seidenstrasse»: Der Transport per Bahn sei zehn Tage schneller als auf dem Seeweg, verlautete aus dem spanischen Verkehrsministerium, obwohl die Fracht unterwegs drei Mal umgeladen werden muss, weil die Bahnspurweiten nicht durchgehend genormt sind.
«Seidenstrasse» rund um den Globus
Die Welt hört für China aber nicht in Europa auf. Die Golfregion soll über die «Maritime Seidenstrasse» von China Richtung Europa versorgt werden. Aber auch für die beiden amerikanischen Kontinente zeigt China (wirtschaftliches) Interesse mit dem Neubau des «Nicaragua-Kanals» als Alternative zum Panama-Kanal.
Und in Afrika bauen chinesischen Tecnologie-Unternehmen wie Huawei komplette nationale Telekommunikations-Infrastrukturen auf. China ist der grösste Handelspartner, aber auch in Afrika nicht einfach nur aus gutem Willen: China setzt auf Tauschgeschäfte: Rohstoffe gegen Infrastruktur. So bauen chinesische Firmen Strassen, Schulen, Kraftwerken, selbst Radio- und Fernsehstudios. Die Bodenschätze sind dann der Gegenwert.