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International Chinas Neureiche: Die Mittelschicht soll’s richten

Die neue Mittelschicht ist das Rückgrat des modernen China. Sie verkörpert den Erfolg des ungebändigten Wachstums der letzten 20 Jahre, auf ihr ruht jetzt die Hoffnung für Chinas Zukunft. Das Zeitalter der Billigarbeiter an den Fliessbändern ist vorbei.

Wenn Zhongchan Jieji etwas will, dann kauft sie es sich. Und zwar mit ihrem eigenen Geld. Sei es das neueste Smartphone, die modernste Digitalkamera oder ein hippes Mittelklasseauto. Im Unterschied zu ihren Eltern kann sie es sich leisten.

Zhongchan Jieji ist das chinesische Wort für Mittelschicht – und von diesen Zhongchan Jiejis gibt es in China so viele wie nie zuvor. Sie halten die Wirtschaft am Brummen, ihre Kaufkraft spürt die ganze Welt.

Junge Frau hält Ballone mit Aufschrift «Disneyland Hong Kong» in der Hand.
Legende: Auf Chinas jungen Erwachsenen ruht die Hoffnung. Reuters

Generation Sorglos

Sie sind typischerweise zwischen 20 und 35 Jahren alt und gehören zu Chinas «Generation Sorglos». Aufgewachsen in den Boomjahren, weit nach Mao Zedongs Entgleisungen, bilden sie die Generation Chinas, auf der zurzeit am meisten lastet.

Sie sollen weiterführen, was die Generation um Reformer Deng Xiaoping einst eingeläutet hatte und was jetzt ins Stocken gerät: Den neuen grossen Sprung nach vorn, Chinas Rückkehr in die global vernetzte Welt oder kurz: Chinas Wirtschaftswunder.

Die meisten sind Einzelkinder, aufgewachsen als kleine Prinzen und Prinzessinnen, sie sind die grosse Hoffnung ihrer Eltern und Grosseltern. Sie widerspiegeln exakt das, was Chinas Regierung zum Parteiprogramm erklärt hat: Sie verkörpern den «Chinesischen Traum», der von Staats- und Parteichef Xi Jinping zelebriert wird. Die Zhongchan Jieji sind der Inbegriff des chinesischen Erfolgsmodells, und sie werden immer zahlreicher.

Schlüsselrolle für die Zukunft

Wenn nächste Woche Chinas Parteispitze zum jährlichen grossen Treffen der Kommunistischen Partei nach Peking reist, werden viele der Fragen um die künftige Rolle dieser Mittelschicht kreisen. Im nächsten Fünfjahres-Plan der kommunistischen Partei wird sich die künftige Rolle der neuen Mittelschicht manifestieren.

Wenn Chinas Parteiführung den nächsten grossen Sprung nach vorne schaffen will, muss diese neue zahlungskräftige und gebildete Schicht bedient werden. Ihre Eltern schafften den Sprung aus der Armut, der meist auch der Sprung vom Land in die städtische Agglomeration bedeutete. Nie zuvor in der Menschheitsgeschichte gab es eine grössere Massenmigrationswelle als in den letzten 30 Jahren in China. Über 500 Millionen Menschen sind in einer Generation umgezogen, heute lebt mehr als die Hälfte der Chinesinnen und Chinesen in Grossstädten, bis in 15 Jahren sollen es gar drei Viertel sein.

Ganz China soll bis dann in rund zehn Grossregionen aus städtischen Mega-Agglomerationen bestehen. Eng damit verknüpft ist für viele der soziale Aufstieg aus einem bäuerlichen Umfeld in ein urbanes Leben der Grossstadt.

Damit erhofft sich die Regierung, die Kurve vom exportabhängigen Billigproduktionsland zum modernen Dienstleistungsstaat zu kriegen. Die wachsende Mittelschicht spielt dabei die Schlüsselrolle.

Ein Faktor für die ganze Welt

Laut einer Untersuchung von McKinsey gehören heute bereits 68 Prozent von Chinas Bevölkerung zur Mittelschicht und es werden täglich mehr. Ein grosser Teil dieser Mittelschicht lebt bereits jetzt in Ballungszentren von Grossstädten und führt einen Lebensstyl, der sich kaum mehr unterscheidet von dem eines Europäers oder einer Amerikanerin. Die Reicheren dieser Schicht beeinflussen längst nicht mehr nur China selber, ihre Kaufkraft spürt man weltweit.

Nicht nur in den Uhrengeschäften in Luzern oder am Genfersee lassen sie die Kassen klingeln. Teure Handtaschen, Designer-Schuhe oder anderer Luxusprodukte werden zu einem grossen Teil für Chinesen produziert. Laut McKinsey soll im Jahr 2015 ein Drittel der weltweit verkauften Güter dieses Segmentes aus chinesischen Taschen finanziert werden.

Armut als Herausforderung

Den krassen Gegensatz zu dieser schönen neuen Welt Chinas bilden die 82 Millionen Menschen, die nicht vom Schub der letzten 20 Jahre profitiert haben und auch 2015 noch von weniger als einem Dollar pro Tag leben müssen.

Je nach Statistik ist die Zahl der in Armut lebenden Chinesen noch viel höher. Diese Verlierer des Systems leben nicht in den Grossstädten Chinas, sondern in oft schwer zugänglichen ländlichen Gebieten ohne Zugang zu Trinkwasser, Elektrizität und Gesundheitsversorgung.

Die grösste Herausforderung für Chinas Regierung wird in den nächsten Jahren sein, diese Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter zu öffnen.

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