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Beslan am 5. September 2004. Angehörige Frauen trauern um das tote Kind, das hier aufgebahrt ist. (reuters)
Legende: Das Geiseldrama von Beslan hat eine unermesslich tiefe Wunde in die Herzen der Bevölkerung gerissen. Reuters

International Das geschah vor zehn Jahren in Beslan

Der erste Tag im neuen Schuljahr ist in Russland und den ehemaligen Sowjetstaaten ein Freudentag: Familien versammeln sich in den Schulen und feiern mit den Kindern den «Tag des Wissens». Der 1. September 2004 wird in Beslan aber zum Tag des Grauens. Das Drama wird 50 Stunden dauern.

Es ist der 1. September 2004 in Beslan, der russischen Teilrepublik Nordossetien. Heute ist der «Tag des Wissens», an diesem Tag beginnt jeweils in ganz Russland das neue Schuljahr. Familien begleiten vor allem ihre Erstklässler in die Schule und feiern mit ihnen den neuen Lebensabschnitt. Der 1. September ist ein Freudentag.

Doch in Beslan wird der 1. September 2004 als Tag des Grauens in die Geschichte eingehen. Denn in die Schule Nummer 1 dringen Terroristen ein – die Rede ist von 32 – die meisten von ihnen aus den Nachbarrepubliken Inguschetien und Tschetschenien.

Menschen trinken ihren Urin, um nicht zu verdursten

Sie sind mit Maschinengewehren, Granatwerfern und Munition ausgerüstet. Männer in Militärkleidung und schwarzen Sturmhauben. Sie nehmen 1120 Geiseln – Schulkinder, Eltern, Grosseltern, Lehrerinnen und Lehrer. Während drei Tagen werden sie diese Menschen in der Turnhalle der Schule einpferchen, über ihren Köpfen Bomben montieren, sie bedrohen und terrorisieren.

Korrespondent erinnert sich

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«Beslan war eine unglaubliche Dimension des Grauens», sagt Gregor Sonderegger, ehemaliger SRF-Korrespondent in Moskau. Er schaut im Interview zurück auf die Ereignisse im September 2004.

Am 2. September – es ist heiss, die Menschen in der Turnhalle haben weder zu essen noch zu trinken, einige trinken ihren eigenen Urin, damit sie nicht verdursten – sprengen sich zwei Terroristen in die Luft. Sie reissen mehrere Geiseln mit in den Tod. Vor der Schule stehen russische Spezialtruppen, scheinbar machtlos. Aber auch Angehörige der Geiseln und Bewohner von Beslan haben sich unterdessen bewaffnet. Ein Krisenstab ist mit den Terroristen in Kontakt.

Doch was wollen die Terroristen? Das ist bis heute unklar. Offiziell hiess es, die Terroristen hätten keine Bedingungen gestellt. Das wird aber von jenen Leuten bestritten, die mit den Geiselnehmern in Kontakt standen. Die Hauptforderung soll gewesen sein, Russland solle den Krieg in Tschetschenien beenden, Tschetschenien soll unabhängig werden und dann der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) beitreten. Die Forderungen gestellt hat der Drahtzieher des Terroraktes, der tschetschenische Extremistenführer Schamil Bassajew.

Nach dem Angriff sind 331 Menschen tot

Am 3. September dann gibt es in der Schule eine Explosion, es fallen Schüsse. Warum bleibt unklar. Ist eine Bombe explodiert? War es ein versuchter Sturm der Sicherheitskräfte – ein Versuch die Geiseln zu befreien? In der Turnhalle stürzt das brennende Dach über den Geiseln zusammen. Dann überschlagen sich die Ereignisse: Es bricht ein blutiges Chaos aus.

Terroristen, Sicherheitskräfte und bewaffnete Beslaner liefern sich eine stundenlange Schiesserei. Die Armee schiesst mit Panzern und Granaten auf die Schule. Erst nach Mitternacht werden die letzten, im Keller verschanzten Terroristen getötet.

Am diesem Tag sterben in der Schule Nummer 1 von Beslan 331 Geiseln – darunter 186 Kinder, mehrere Soldaten und fast alle Terroristen. Das Geiseldrama hat die Welt über 50 Stunden lang in Atem gehalten. Was in Beslan bleibt, ist eine tiefe Wunde, die wohl niemals ganz heilen wird.

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