SRF News Online: Wie fest wackelt der Sitz von Deutschlands Verteidigungsminister Thomas de Maizière?
Stefan Reinhart: Sein Sitz wackelt nur noch ein kleines bisschen. Angela Merkel steht nach wie vor hinter ihm. Auch weil es ein Desaster wäre, wenn sie so kurz vor der Wahl einen Minister entlassen müsste. Merkel und de Maizière sind zudem persönlich verbunden: Sie machten zusammen Karriere, er gilt als ihr Entdecker. Trotzdem: Merkel lässt sich grundsätzlich nicht von persönlichen Freundschaften leiten. Sollte es nötig sein, wird sie auf ihn verzichten.
De Maizières Staatssekretär Stéphane Beemelmans hat vor dem Untersuchungsausschuss die Verantwortung für das Debakel übernommen. Er habe de Maizière mangelhaft informiert. Ist der Minister damit aus der Schusslinie?
De Maizière könnte in der Tat mit einem blauen Auge davonkommen. An ihm würde lediglich haften bleiben, dass er sein Ministerium in gewissen Bereichen nicht im Griff hatte und sich zu sehr auf seine Angestellten verlassen hat. Beemelmans wird seinen Posten wohl verlassen müssen, wenn ihm die Schuld zukommt. Damit hat de Maizière sein Amt gerettet.
Die Opposition bezichtigt den Minister der Lüge und fordert vehement seinen Rücktritt.
Die Forderung und die Anschuldigungen sind dem Wahlkampf geschuldet. Einen Rücktritt de Maizières halte ich aber für sehr unwahrscheinlich. Gesetzt den Fall, Merkels wichtigster Mann müsste doch gehen, wäre das für die Opposition ein grosser Triumph. Damit hätte sie ihr Ziel erreicht, die Regierung als unfähig darzustellen.
Und wie steht der Bürger zur Drohnen-Affäre?
Die Drohnen-Thematik ist für den Bürger wenig greifbar. Einerseits ist die Empörung gross, wenn Steuergelder in Höhe von einer halben Milliarde Euro vergeudet werden. Andererseits hat sich de Maizière nicht privat bereichert.
Zudem ist die Schuldfrage nicht eindeutig geklärt: Der Drohnen-Deal hat seinen Ursprung nicht in der Ära de Maizière, sondern in der rot-grünen Regierung. Den Sündenbock zu finden, dürfte also schwierig sein. Deshalb glaube ich nicht, dass die Affäre das Potenzial hat, Merkel im Wahlkampf Schaden zuzufügen. Das grössere Problem für Merkel könnte Lammert werden.
Hintergrund
Sie sprechen den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert an, der sich derzeit wegen Plagiatsvorwürfen rechtfertigen muss. Worin liegt der Unterschied zur Affäre de Maizière?
Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, ist der Fall einfach – und der Skandal wäre perfekt: Man hat einen Sündenbock, einen, der gegen aussen korrekt auftritt, als Verfechter der Ehrlichkeit gilt, und getrickst hat.