In Georgien geht am Sonntag eine Ära zu Ende. Staatschef Micheil Saakaschwili verabschiedet sich nach zehn Jahren von seinem Amt. Er muss. Die zweite Amtsperiode ist abgelaufen. Zum ersten Mal vollzieht sich im Kaukasusland ein demokratischer Wandel. Zu Wahl stehen 23 Kandidaten.
Micheil Saakaschwili: Er spricht fliessend Englisch, Spanisch, Französisch und Russisch. Er hat an der George Washington University Rechtswissenschaften studiert. Die Rosenrevolution brachte ihn an die Macht. Einst galt er als Hoffnungsträger. Er wollte sein Land vorantreiben und es von der Korruption befreien.
Heute sind viele froh, dass er bald abtritt. Dem Volk wurde er zunehmend zu autoritär.
Neun Tage lang stand Georgien still
Vor sechs Jahren liess er während Massenprotesten Wasserwerfer und Tränengas einsetzen, um sich die aufgebrachte Menge vom Hals zu halten. Die Forderung der Protestierenden: Sein Rücktritt. Der Vorwurf: Er habe den Kampf gegen Armut, Arbeitslosigkeit und Korruption verloren. Was folgte, war ein neuntägiger Ausnahmezustand – verhängt durch den Staatschef selbst. Das Fernsehen durfte während dieser Zeit keine unabhängigen Nachrichtensendungen bringen. Das Volk war ausser sich.
Kurze Zeit danach musste er seinen Fehler eingestehen und willigte in vorgezogene Präsidentschaftswahlen ein, die im Januar 2008 stattfanden. Saakaschwili konnte sich gerade so halten. Er erhielt 53,5 Prozent der Wählerstimmen, womit ihm eine weitere Regierungszeit gesichert war.
Kaukasus-Krieg: Saakaschwilis Reputation leidet
Ein halbes Jahr später stand Saakaschwili erneut in der Kritik. Grund dafür war dieses Mal der Konflikt zwischen seinem Land und Südossetien, das damals noch zu georgischem Staatsgebiet gehörte. Südossetien wollte sich abspalten, was Georgien nicht akzeptierte. Die Lage eskalierte, es kam zum Krieg.
Ein grosser Fehler. Sowohl Russland als auch Südossetien warfen dem Land Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung vor. Nach diesem Vorfall war der Ruf Saakaschwilis unwiderruflich angekratzt.
Die Parlamentswahlen im Oktober 2012 brachte Bewegung ins Land und in die Politik. Die 2002 von Saakaschwili gegründete Partei «Vereinte Nationale Bewegung» verlor die Mehrheit gegen das Parteienbündnis «Georgischer Traum». Dahinter steckt der milliardenschwere Bidsina Iwanischwili.
Ein Mann, der mit «harter Arbeit unter anderem mit Rohstoffhandel» zu seinem Vermögen kam, wie Korrespondent Peter Gysling gegenüber SRF News online sagt. «Er ist trotz immensem Reichtum irgendwie bescheiden geblieben» sagt er und nennt den Oligarchen eine «ehrliche Haut».
Als Kind ohne Schuhe – heute Milliardär
Iwanischwili, der seit Oktober 2012 Georgiens Ministerpräsident ist, stammt aus bitterarmen Verhältnissen. Als Kind habe er stets barfuss gehen müssen, weil sich seine Eltern – Kleinbauern aus der Region Imeretien – keine Schuhe leisten konnten. Seinen vier Geschwistern erging es nicht besser.
Doch Iwanischwili hatte einen Vorteil: Er war sehr gut in der Schule – und ehrgeizig. An der staatlichen Universität für Verkehrswesen in Moskau schloss er sein Wirtschaftsstudium ab. Das grosse Los zog er aber mit der vor 23 Jahren gegründeten Rossiski Kreditbank. Im Zuge der Privatisierung des russischen Staatsvermögens erwarb die Kreditbank Eisenminen. Das Geschäft florierte und brachte hohe Gewinne. Noch heute ist er daran beteiligt.
Reichtum ganz ohne krumme Geschäfte?
Es heisst, Iwanischwili habe sich weder in Korruptionsfälle verwickeln lassen noch mit der russischen Mafia kooperiert. Ist da also nichts, das ihm seine reine Weste beflecken könnte? Milliarden auf dem Konto, ganz ohne Betrügereien – kann das sein? Korrespondent Peter Gysling bestätigt: «Viele Journalisten, auch ich, haben zu diesem Thema recherchiert aber nichts Verdächtiges gefunden».
Das Volk muss sich von Iwanischwili indes schon bald wieder verabschieden. Ausgerechnet jetzt, da Iwanischwili als Ministerpräsident an der Spitze seiner Politkarriere angelangt ist, will er sich wieder seinen Geschäften widmen.
Aufhören wenn es am schönsten ist. «In erster Linie ist er ein Geschäftsmann. Ausserdem hat er diesen Entschluss schon beim Einstieg in die georgische Politik mitgeteilt», sagt dazu Korrespondent Gysling.
(schl)