Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte: Das sind die drei Säulen auf denen die Tätigkeit des Europarates basiert. 47 Länder gehören dazu. Und diese teilen sich im Turnus den Vorsitz des Ministerkomitees. Nun ist Aserbaidschan an der Reihe. Heute Mittwoch geht das Amt für ein halbes Jahr an das kleine Land am Kaspischen Meer.
Fragwürdiger Umgang mit Menschenrechten
Aserbaidschan steht regelmässig am Pranger von Menschenrechtlern. Laut der Organisation Reporter ohne Grenzen sind momentan mindestens zehn Journalisten oder Blogger in Haft. Amnesty International schreibt von «routinemässigen» Schikanen, Festnahmen, Schlägen und Gefängnisstrafen für Regierungskritiker. Erst kürzlich hat das Land einen Oppositionellen zu sieben Jahren Haft verurteilt – angeblich weil er Massenunruhen organisiert haben soll.
Wie geht das zusammen? Ein autoritäres Regime hat den Vorsitz in einer Organisation, die den Schutz der Menschenrechte auf dem Programm hat?
«Das ist tatsächlich ein Widerspruch», sagt Nicolas Hayoz, Professor und Spezialist für Osteuropa und den Kaukasus an der Universität Fribourg. Wenn der Europarat solche «unschönen Aspekte» verhindert wolle, dürfte er Staaten wie Aserbaidschan oder Russland gar nicht aufnehmen. Laut Hayoz hatte der Europarat aber die Hoffnung, dass man diese Länder durch die Einbindung und den Dialog dazu bringen könnte, die Demokratie zu Fördern und die Menschenrechte mehr zu achten. «Dabei ist das Gegenteil passiert.»
Bei Aserbaidschan kommt hinzu, dass sich die parlamentarische Versammlung des Europarates nicht auf eine klare Stellungnahme gegenüber dem Regime einigen konnte. Vor einem Jahr lehnten die Parlamentarier eine Resolution ab, die die Freilassung von rund 50 politischen Gefangenen gefordert hätte. Aserbaidschan habe im Parlament erfolgreich lobbiert, sagt Hayoz dazu. «Die fehlende Klarheit des Europarats kann nun das Regime natürlich dazu ermuntern, die Grenzen noch weiter auszuloten.»
Eigeninteressen spielen eine Rolle
Im Verhalten Europas gegenüber Aserbaidschan gibt es aber noch einen weiteren Faktor: die Energieversorgung.
Aserbaidschan ist für Europa ein wichtiger Lieferant von Öl und Gas. Die Bedeutung hat mit der Krise in der Ukraine noch zugenommen. Die EU sucht dringend nach Alternativen für die Energielieferungen aus Russland. Die bestehenden und die geplanten Pipelines aus Aserbaidschan führen nicht über Russland und könnten bei einem Konflikt also nicht blockiert werden. «Aserbaidschan wird eine immer wichtigere Rolle als Energielieferant für die Europäer spielen», ist Hayoz deshalb überzeugt.