Keine Anklage gegen den weissen Polizisten Darren Wilson. Dieses Urteil hat in den USA zu landesweiten Protesten geführt. Die US-Medien waren sich in den vergangenen Tagen grösstenteils einig: Es geht um mehr als den Einzelfall Michael Brown, es geht um die Probleme zwischen Schwarz und Weiss.
Eine Auswahl an charakteristischen Schlagzeilen:
Ein Land mit einem afroamerikanischen Präsidenten und einer beträchtlichen ... schwarzen Mittelschicht bleibt, was das Justizsystem betrifft, genauso gespalten wie noch vor Jahrzehnten.
Ferguson hat das Land von der Fantasievorstellung weggezwungen, dass Amerika in eine ‹post-ethnische› Ära eingetreten ist. Doch weder hat eine nationale Debatte eingesetzt, noch wird das tiefgreifende Gefühl von Ungleichheit und Ungerechtigkeit thematisiert, dass bei vielen im Land herrscht.
Wenn alles vorbei ist, müssen Ferguson und die Nation immer noch die grundlegenden Ursachen angehen. Das bedeutet, schwierige Fragen über Armut zu stellen, über soziale Mobilität und Gerechtigkeit in diesem Land. Wie bringen wir die Leute, die in Ferguson einen Laden geplündert haben, mit der Hoffnung zusammen, die Barack Obama einst verkörperte.
Der neuerliche Funke zur erneuten Rassismus-Diskussion ist das kontroverse Geschworenen-Urteil im Fall des schwarzen Teenagers Michael Brown. Tödliche Polizeigewalt in den USA scheint häufig vorzukommen. Ist diese aber auch rassistisch motiviert? Verlässliche Zahlen gibt es kaum. Die Bundespolizei FBI zählte 2012 insgesamt 409 Fälle, in denen ein Polizist rechtens einen Verdächtigen erschoss. Die Statistik ist alles andere als komplett: Landesweit gibt es etwa 17'000 unterschiedliche Polizeibehörden. Nur ganz wenige geben überhaupt Daten an die Bundesbehörden weiter.
«Institutionalisierte Diskriminierung»
In vielen Fällen ist es so, dass ein weisser Polizist einen unbewaffneten Schwarzen erschiesst. Laut einer Studie des John Jay College für Kriminologie in New York hat das selten juristische Konsequenzen. In 21 untersuchten Fällen zwischen 1994 und 2009 sei es 7 Mal zu einer Anklage gekommen. In drei Fällen wurden die Beamten schuldig gesprochen.
Bedenken hinsichtlich einer «institutionalisierten Diskriminierung» in den USA sind auch mehrfach von UNO-Expertengremien sowie amerikanischen Organisationen geäussert worden.
Eltern von Brown:
Auch das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte zeigt sich «zutiefst besorgt über die unverhältnismässig hohe Zahl junger Afro-Amerikaner, die bei Konfrontationen mit der Polizei ums Leben kommen». Unverhältnismässig hoch mute auch die Zahl schwarzer Amerikaner in Gefängnissen und Todeszellen an.
Zahlen des Ungleichgewichts
Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Pew im Juni 2013 gaben 88 Prozent der Afroamerikaner an, dass sie in den USA diskriminiert würden. 46 Prozent empfanden dies sogar in hohem Masse. Von den weissen Befragten hingegen fanden 57 Prozent, dass Afroamerikanern diskriminiert würden. Jedoch meinten nur 16 Prozent, dies geschehe in grossem Ausmass.
Weitere Zahlen untermauern das Ungleichgewicht:
- College-Abschluss: Lediglich 21 Prozent der Schwarzen und nur 15 Prozent der Hispano-Amerikaner haben laut Pew einen College-Abschluss. Bei den Weissen ist es jeder Dritte.
- Einkommen: Das durchschnittliche Haushaltseinkommen von Schwarzen liegt bei 39'400 Dollar. Das von Hispanos bei 44'000 Dollar. Weisse Amerikaner kommen auf 67'700 Dollar.
- Vermögen: Das Vermögen der weissen US-Amerikaner beträgt knapp 90'000 Dollar pro Haushalt – und ist rund zwölf Mal so hoch wie dasjenige der beiden Minderheiten.
- Kriminalität: Die Minderheiten machen einen Drittel der Gesamtbevölkerung aus. Gleichzeitig gehören 60 Prozent der US-Gefängnisinsassen einer solchen Gruppe an.
- Bild in der Öffentlichkeit: Bei der umstrittenen Kontrollmassnahme «stop and frisk», bei der Polizisten vermeintlich Verdächtige anhalten und filzen dürfen, trifft es in New York zu knapp 90 Prozent Schwarze und Latinos.
Kontrovers: Ende Juni entschied der oberste US-Gerichtshof, dass sich die Lage in der Frage der Gleichberechtigung zwischen Schwarz und Weiss immer mehr zum Guten wende. Die Dinge hätten sich «dramatisch verändert». Er hob deswegen einen Diskriminierungs-Schutz im Wahlrecht auf. Zu früh, warnten Kritiker damals, unter ihnen auch Präsident Obama.