Gefährdetes Weltkulturerbe in Syrien
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Bild 1 von 7. Blick auf die historische Oasenstadt Palmyra: Die Ruinen aus den ersten Jahrhunderten nach Christus machen die Stadt zu einem der wichtigsten Komplexe antiker Bauten im Nahen Osten. Ende August 2015 zerstörte die Terrormiliz IS Teile des Weltkulturerbens. Die Unesco hatte zuvor gewarnt, eine Zerstörung Palmyras müsse verhindert werden. Bildquelle: Unesco/Ron Von Oers.
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Bild 2 von 7. Anfang Oktober 2015 sprengten die Terroristen den rund 2000 Jahre alten Triumphbogen (Hadrianstor) der Stadt. Ende März 2016 gab die syrische Armee die vollständige Rückeroberung von Palmyra bekannt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 7. Bedroht vom Bürgerkrieg ist auch die Altstadt von Damaskus. Sie zählt 125 Monumente aus verschiedenen Epochen. Das wichtigste Monument ist die Grosse Umayyaden-Moschee. Damaskus ist die älteste Stadt im Nahen Osten und eine der ältesten Städte der Welt, die ständig bewohnt wurden. Bildquelle: Unesco/Francesco Bandarin.
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Bild 4 von 7. Die Burg Krak des Chevaliers liegt am Rande des Alawitengebirges und gilt gemeinsam mit der Festung des Saladin als Kulturerbe. Die Burg galt als eine der stärksten Festungen der Kreuzfahrer im Heiligen Land im 12. und 13. Jahrhundert. Bildquelle: Unesco/Ron Von Oers.
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Bild 5 von 7. Die Altstadt von Aleppo hat im syrischen Bürgerkrieg stark gelitten. Sie gehört seit 1986 zum Unesco-Weltkulturerbe. Aleppo geht auf das zweite Jahrtausend vor Christus zurück. Die Stadt war Kreuzpunkt verschiedener Handelsstrassen. Hier herrschten die Assyrer, die Araber, Mongolen, Mameluken und Ottomanen. Bildquelle: Unesco/Ron Von Oers.
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Bild 6 von 7. Bereits 1980 wurde die Altstadt von Bosra im Süden Syriens mit ihrem berühmten Amphitheater auf die Unesco-Liste gesetzt. Bosra war einst Hauptstadt der römischen Provinz Arabia und lag auf der Karawanenstrasse nach Mekka. Berühmt sind auch die Marak-an-Nama-Moschee, Überreste von Thermen und eine eindrückliche Säulenstrasse. Bildquelle: Unesco/Ron Von Oers.
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Bild 7 von 7. Baqirha ist eine antike Siedlung im Nordwesten Syriens. Sie gehört zu den «Toten Städten», die neu auf der Liste gefährdeter Denkmäler stehen. Dabei handelt es sich um Ruinen von etwa 650 ehemaligen Dörfern aus spätrömischer und frühbyzantinischer Zeit. Bildquelle: Unesco/François Cristofoli.
Die Bilder aus dem Museum von Mossul wirken nach: Mit einem Vorschlaghammer zerstören Bärtige meterhohe assyrische Türhüterfiguren – und damit ein Stück Kulturgeschichte. Jetzt steht die Terrormiliz IS vor den Toren des Unesco-Weltkulturerbes Palmyra. Die syrische Ruinen-Stadt ist, wie der Archäologe Mirko Novak von der Universität Bern erklärt, ein Schmelztiegel der Kulturen des Orient und Okzidents.
Überdauert haben babylonische, persische, römische und arabische Kulturgüter. Die malerische Wüstenoase gehört zum Pflichtprogramm Kulturreisender. Und neben der Altstadt von Aleppo und der Umayyaden-Moschee zum bedeutendsten kulturellen Erbe Syriens.
Propaganda im Kleid der Frömmigkeit
Auch hier droht die Terrormiliz nun, so zumindest die Botschaft, alles «unislamische», jede Reminiszenz an vermeintliche Götzenverehrung, zu tilgen. Was wie ein blinder Akt der Barbarbei wirkt, folgt einer kruden Logik: «Erlangt der IS die Kontrolle über Palmyra, wird er es in eine Art ‹Geiselhaft› nehmen», mutmasst Novak. «Und der ‹Islamische Staat› wird erst ‹tätig› werden, wenn es für ihn einen speziellen Zweck erfüllt.»
Und dieser folgt einem penibel durchdachten Propaganda-Schlachtplan – der sich an verschiedene Adressaten richtet: «Der Westen soll schlichtweg verstört werden. Der IS ist sich der Ohnmacht bewusst, den die Zerstörung der Kulturgüter auslöst. Diese will man offenlegen.»
Gegen den «inneren Feinden», Irak und Syrien, richte man derweil eine andere Botschaft: «Man inszeniert sich als Gegenpol zu den nationalistisch ausgerichteten Regierungen.» Denn auch sie legitimierten sich über die Kulturschätze des Landes; etwa die irakische Regierung, die jüngst stolz das neue Nationalmuseum in Bagdad einweihte.
«Am gleichen Tag veröffentlichte der IS die Videos mit den Zerstörungen in Mossul», sagt Novak. Mit der Macht der Bilder sendet das selbsternannte Kalifat zwischen Mittelmeer und Zweistromland die Botschaft aus: Euer kulturelles Erbe, und damit auch eure Legitimation und nationale Identität, verschwindet.
Geschäftstüchtige Gotteskrieger
Das kühl-kalkulierte Vorgehen des IS spiegelt sich zuletzt auch in seiner regen Beteiligung am Handel mit Kunstschätzen wider. Der religiöse Zerstörungseifer tritt dann zurück, wenn es um finanzielle Interessen geht. «Was sie treiben, ist lange nicht so ideologisch durchsetzt, wie es nach aussen hin zelebriert wird», so Novak.
Denn wie andere Rebellen- und Islamistengruppen verdient auch der IS eifrig an der Auflösung der staatlichen Strukturen in Syrien. Novak rechnet denn auch damit, dass sich der Handel mit Kunstschätzen aus Palmyra intensivieren könnte – sollte der IS tatsächlich die Kontrolle übernehmen. «Welche Objekte und in in welcher Zahl sie gehandelt werden, können wir aber nicht einschätzen. Denn das Geschäft läuft unter dem Tisch.» So bleibt trotz der gesteuerten «Zerstörungswut» des Islamischen Staats eine Gewissheit: auch Kunstschätze, die die Terrormiliz aus Geschäftsinteresse hütet, könnten für immer verloren sein.