Auf den ersten Blick hat der Krieg in der Ukraine nichts mit dem Klimawandel zu tun. Auf den zweiten Blick aber sehr wohl. Davon ist Kumi Naidoo, der Chef von Greenpeace International, überzeugt. Denn die Erderwärmung, die Energie-Effizienz und die Sicherheitspolitik hingen eng miteinander zusammen.
«Kaum ein anderes Land verschwendet pro Kopf der Bevölkerung so viel Energie wie die Ukraine», sagt Naidoo. Das habe sie abhängig gemacht von Russland und zu den enormen politischen und militärischen Spannungen beigetragen.
Dazu kommt: Präsident Wladimir Putins aggressiver Kurs wäre undenkbar, wenn er nicht Milliarden aus den Öl- und Gasexporten in die Rüstung stecken könnte. Die Gier des Westens nach fossilen Brenn- und Treibstoffen schaffe also Potentaten, ist Naidoo überzeugt.
Wo Klima- und Sicherheitspolitik ineinander greifen
Zeigen lässt sich das auch in Kuwait, Saudi-Arabien und den übrigen Golfstaaten: «Weil die Golfmonarchen über enorme Ölreserven verfügen, lässt man sie gewähren.» Sie verzichteten deshalb auf überfällige Reformen. Genau das aber erhöhe die Gefahr, dass die autoritären Regime irgendwann gewaltsam beseitigt würden – in Revolutionen und Bürgerkriegen.
Eine kluge Klima- und eine kluge Sicherheitspolitik müssten also auf eine Energierevolution setzen. Nur so lasse sich die Abhängigkeit von ölreichen autoritären Regimen verringern.
Krieg als Kampf um Ressourcen
Noch direkter ist der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Kriegen und damit Flüchtlingsströmen in Afrika und im Nahen Osten. «Der Bürgerkrieg, ja Völkermord in Darfur, wird einmal in die Geschichte eingehen als erster vom Klimawandel ausgelöster Ressourcenkrieg», meint Naidoo. Die Erderwärmung löste in Darfur Dürren aus. Die Verknappung der Ackerflächen wiederum stand am Anfang des blutigen Konflikts zwischen ethnischen Gruppen.
Auch im Syrienkrieg spiele die globale Erwärmung eine Rolle. Jahrzehntelang habe die syrische Bevölkerung die Assad-Diktatur erduldet. Doch dann sei das Klimaproblem dazugekommen. «Das Land hat in kurzer Zeit vierzig Prozent seines fruchtbaren Landes verloren», so der Umwelt- und Menschrechtsaktivist. Das habe die Not und die Spannungen massiv verschärft, was den Aufstand gegen Assad begünstigte.
Klima-Lobbyist gastiert auf Sicherheitskonferenzen
Der 50-jährige Naidoo ist ein sanfter Mensch, der gerne lacht. Aber er vertritt seine Überzeugungen eindringlich. In Südafrika war er ein Anti-Apartheid-Aktivist, war deswegen auch im Gefängnis, musste ins Exil. Auch jetzt als Greenpeace-Chef lässt er sich nicht so leicht beirren.
Er weiss: Es ist ein harter Kampf nötig, damit Ende Jahr in Paris ein Uno-Klimaabkommen unterzeichnet wird. Naidoo lobbyiert dafür, Klimapolitik nicht länger als Luxusanliegen für wirtschaftlich rosige Zeiten anzusehen. Er tritt deshalb nicht mehr primär auf Klimakonferenzen auf, sondern auf sicherheitspolitischen Spitzentreffen, auf der Münchner Sicherheitskonferenz, am G7-Gipfel. Wenn es gelinge, die Klimapolitik auch als Sicherheitspolitik zu definieren, als Migrations- und Flüchtlingspolitik – dann stiegen die Chancen, dass endlich etwas passiere.
Es sei unverantwortlich, wenn sich die Staats- und Regierungschefs, die Verteidigungsminister, die Militärführer um das Klimaproblem foutierten. Denn es sei auch ihr Problem.