Kremlchef Wladimir Putin hat die ukrainische Regierung aufgefordert, mit den Separatisten Gespräche über den staatlichen Status der umkämpften Ostukraine zu beginnen. Was genau Putin meinte, blieb am Sonntag jedoch unklar.
Es müssen umgehend substanzielle inhaltliche Verhandlungen anfangen – nicht zu technischen Fragen, sondern zu Fragen der politischen Organisation der Gesellschaft.
Putin sagte in einem Interview des russischen Staatsfernsehens, Ziel der Gespräche müsse es sein, die Interessen der Menschen in der Ostukraine zu sichern. «Es müssen umgehend substanzielle inhaltliche Verhandlungen anfangen – nicht zu technischen Fragen, sondern zu Fragen der politischen Organisation der Gesellschaft und der Staatlichkeit im Südosten der Ukraine», sagte er. Putin hatte das Gebiet wiederholt als Noworossija (Neurussland) bezeichnet.
Es war der bislang deutlichste Ruf Putins nach einem eigenen Status für die gesamte Region. Sein Sprecher Dmitri Peskow betonte anschliessend, der Präsident habe nicht einen unabhängigen Staat gefordert. «Noworossija» – also die von den Separatisten beanspruchte und als «Neurussland» bezeichnete Region – solle «selbstverständlich» Teil der Ukraine bleiben.
Soll nun die Ostukraine laut Moskau eigenständig werden oder nicht? Laut SRF-Korrespondent Peter Gysling wissen Putin und Peskow ganz genau, dass die von Moskau unterstützten Rebellen nur etwas wollen, nämlich die staatliche Eigenständigkeit. «Also die Abtrennung von der übrigen Ukraine und möglichst einen Anschluss an die Russische Föderation», so Gysling.
EU berät über mehr Sanktionen
Für Kiew und den Westen stehen die Grenzen der Ukraine nicht zur Diskussion. Sie werfen Putin vor, den Konflikt anzuheizen und reguläre Truppen ins Kampfgebiet geschickt zu haben. Deshalb würden weitere Sanktionen gegen Russland vorbereitet.
Die EU will binnen einer Woche über weitere Wirtschaftssanktionen gegen Russland entscheiden. Die EU-Kommission solle dazu Vorschläge machen, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. «Jedem ist völlig klar, dass wir rasch handeln müssen.»
Trotz der harschen Töne setzten die Kontrahenten vor Ort auch Zeichen für eine Deeskalation. Wenige Tage nach der Festnahme von zehn russischen Soldaten entliess die Ukraine die Männer wieder in ihre Heimat. Auch Russland hat mehr als 60 ukrainische Soldaten übergeben, die nach Kämpfen im Konfliktgebiet Donbass die Grenze überschritten hatten.
Die Ukraine hatte die russischen Gefangenen als Beweis für den Einsatz russischer Soldaten im Konfliktgebiet präsentiert. Dagegen hatte Putin betont, die Uniformierten seien irrtümlich in die Ostukraine gelangt. Auch ukrainische Soldaten waren bei Kämpfen im Konfliktgebiet über die nicht gesicherte Grenze nach Russland geraten.
Russland stellte einen weiteren Hilfskonvoi für die Bevölkerung der Ostukraine zusammen. Rund 280 Lastwagen mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten warteten in der Region Rostow auf die Einfahrt in das Krisengebiet Donbass, berichtete das russische Staatsfernsehen. Putin hatte die Lieferung laut Medienberichten mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko vereinbart.
Neue Stützpunkte der Nato?
Als Reaktion auf die Ukrainekrise will die Nato nach Informationen der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» in den drei baltischen Staaten sowie in Polen und Rumänien fünf neue Stützpunkte aufbauen. Dort sollen jeweils 300 bis 600 Soldaten als Logistiker, Aufklärer und Einsatzplaner Übungen vorbereiten und im Ernstfall Einsätze führen.
Deutschland beteiligt sich mit sechs Kampfflugzeugen an der Nato-Luftraumüberwachung über dem Baltikum. Der viermonatige Einsatz der «Eurofighter» ist eine Reaktion auf die Ukraine-Krise. Bereits im Frühjahr war die Zahl der über Estland, Lettland und Litauen eingesetzten Flieger von vier auf 16 aufgestockt worden.
Für den Einsatz werden 170 Soldaten der Luftwaffe am Stützpunkt Ämari in Estland stationiert. Neben Deutschland nehmen bis Ende des Jahres Portugal, Kanada und die Niederlande an dem Einsatz teil.