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International Deutsche Justiz fordert Facebook heraus

Gegen das Management von Facebook hat die Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Verdacht lautet auf «Beihilfe zur Volksverhetzung». Facebook könnte nun realisieren, dass es der deutschen Justiz ernst ist mit einem schärferen Vorgehen gegen Hasskommentare.

Die Anzeige hat der Anwalt Chan-jo Jun aus Würzburg ausgelöst. Das Gespräch mit ihm:

Chan-jo Jun: Ich habe vor einem Jahr gesehen, dass das Thema Hasskriminalität auf Facebook immer grössere Kreise zieht. Als Jurist dachte ich, das kann nicht so schwierig sein. Es gibt das international anerkannte Verfahren «Notice and take down» (Hinweis und Entfernen eines Facebook-Eintrags). Ab dem Zeitpunkt, wo jemand Kenntnis von einem rechtswidrigen Inhalt hat, muss er tätig werden, Inhalte löschen – oder er haftet selber dafür.

Als Jurist habe ich selber einmal ausprobiert, 16 Inhalte an Facebook zu melden und war überzeugt davon, dass das dann gelöscht wird. Das wäre dann der Beweis, wie man dieses Problem lösen kann.

Tatsächlich hat aber Facebook nichts davon gelöscht, sondern auch in weiteren 430 Fällen, die ich gemeldet habe, einfach gesagt, das verstosse nicht gegen die Facebook-Gemeinschaftsstandards, deshalb bleibt es stehen, egal ob es gegen deutsches Recht verstösst.

Das deutsche Justizministerium hat sich im vergangenen Jahr mit Facebook und auch Google darauf verständigt, dass Hasskommentare binnen 24 Stunden entfernt werden. Warum funktioniert das nicht?

Ich glaube, die Internetgiganten Facebook, Google und Twitter haben den deutschen Justizminister an der Nase herumgeführt. Da sassen die Lobbyisten zusammen und haben dem Justizminister versucht klarzumachen, dass man Geld in gewisse Aktionen stecken werde und mehr Personal anstellt. Man hat dann aber gesehen, dass Facebook eigentlich sehr wenig getan hat.

Facebook kann zwar, möchte aber nicht seine Geschäftsbedingungen (AGB) ändern, weil es nicht Rücksicht nehmen will auf jede Rechtsordnung eines einzelnen Staates. Und Facebook lebt ganz gut davon, dass möglichst viele möglichst hitzige Diskussionen auf Facebook stattfinden. Wenn nun diese gelöscht würden, hätte Facebook weniger Traffic und würde in der Folge auch weniger Umsatz machen.

Aber wieso sollte das Management von Facebook in Kalifornien dafür verantwortlich sein, wenn irgendwelche hasserfüllten Kommentare von irgendwelchen deutschen Bürgern auf Facebook veröffentlicht werden?

Wir wissen im Moment nicht, wer die Anordnung getroffen hat, dass das deutsche Recht nicht angewandt werden soll. Deshalb richtet sich die Strafanzeige nicht nur gegen Topmanager sondern geht weiter runter bis zum Sachbearbeiter, also gegen jeden, der mit dem Thema zu tun hat. Wer das wirklich war, werden die Ermittlungen zeigen.

Die Vorwürfe an Facebook sind nicht neu. Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat schon Anfang Jahr erfolglos eine Anzeige eingereicht. Wird Facebook nun auf die neue Klage eingehen?

Das Wichtigste ist zunächst, dass die Staatsanwaltschaft darauf eingeht. In Hamburg ist man damals davon ausgegangen, dass keine Handlung in Deutschland begangen wurde, nicht einmal das Posten von Kommentaren soll aus Deutschland erfolgt sein, was natürlich falsch war. Deutsches Recht ist anwendbar, wenn ein Teil der Handlung in Deutschland begangen wird.

Nach einer positiven Einschätzung durch den bayerischen Justizminister habe ich die neue Strafanzeige in München eingereicht. In Bayern wird die Rechtslage anders gesehen als in Hamburg. Wenn Facebook merkt, dass es jetzt ernst wird, wird Facebook seine Politik ändern müssen.

Aber Facebook sagt ganz klar, wir haben nicht gegen deutsches Recht verstossen, die Beschuldigten befinden sich ausserhalb des Zuständigkeitsbereichs der deutschen Justiz.

Das ist tatsächlich die Einschätzung aus dem Hamburger Verfahren. Nachdem jetzt aber die Münchner Staatsanwaltschaft sorgfältig geprüft hat, ob eine Straftat vorliegt und Ermittlungen eröffnet, bedeutet das, dass München das anders als Hamburg sieht. Und Facebook muss sich nun überlegen, ob sie wirklich an ihrer Position festhalten wollen oder sehen, dass die Sache ernst werden könnte.

Audio
«Facebook soll deutsches Recht anerkennen»
aus Echo der Zeit vom 05.11.2016.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 54 Sekunden.

Was erhoffen sie sich von ihrer Anzeige gegen Facebook? Ein Sieg von David gegen Goliath?

Es geht nicht ums Gewinnen, oder das jemand bestraft wird. Mir geht es darum, dass Facebook das deutsche Recht anerkennt und dass dieses Recht nicht einfach im Internet aufhört und dort gelten auf einmal nur noch die Regeln von Facebook oder anderen Internet-Unternehmen.

Braucht es auch neue Gesetze?

Politiker in Deutschland fordern ja auch schon Sanktionen evtl. auch Gesetzesänderungen. Die jetzigen Gesetze würden funktionieren. Es wäre aber nicht falsch, wenn man sie etwas flankieren würde, damit da gar nicht erst Fragen aufkommen und damit klar wäre, dass deutsches Recht auch für Facebook gelten muss.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

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