Nach 50 Jahren Einwanderung bekommt Deutschland ein Integrationsgesetz. Einerseits soll Asylbewerbern die Eingliederung in die Gesellschaft erleichtert werden. Andererseits drohen ihnen bei Verweigerung Sanktionen.
Die Koalitionsspitzen von Union und SPD haben sich nach monatelangem Streit über die Flüchtlingspolitik auf ein Gesetz mit Angeboten und Sanktionen verständigt. Laut einem vorliegenden Eckpunktepapier ist das Ziel, «die Integration der zu uns gekommenen Menschen in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt durch staatliche Massnahmen zu fördern und zugleich von Ihnen Eigenbemühungen einzufordern».
Für SRF-Korrespondent Adrain Arnold eine längst überfällige Massnahme. Denn die jüngsten Erfolge der AfD hätten aufgezeigt, dass viele Bürger in Deutschland das Vertrauen in ihre Regierung verloren hätten. «Jetzt präsentiert Angela Merkel erstmals nachvollziehbare Lösungen. Damit könnte sie einen Teil des verlorenen Vertrauens in der Bevölkerung zurückgewinnen.»
Auch inhaltlich sei das neue Gesetz beachtenswert, unternehme man doch damit den Versuch, aus den Fehlern Frankreichs zu lernen. «Die Banlieues sind sicher das beste Beispiel für eine misslungene Integration. Deutschland will nun hingegen die Neuankommenden auf verschiedene Stadtzentren und Dörfer aufteilen – nach dem Motto: Integration ist nur dort möglich, wo Fremde und Einheimische aufeinandertreffen und den Alltag zusammen gestalten müssen.»
Das sind die Eckpunkte:
Am 22. April sollen im Rahmen einer Konferenz der Ministerpräsidenten der Bundesländer die Eckpunkte erörtert und der Gesetzentwurf dann von der Bundesregierung bei einer Klausurtagung am 24. Mai beschlossen werden.
Arbeitsmarkt/Integration: Es werden 100'000 zusätzliche «Arbeitsgelegenheiten», darunter vermutlich Ein-Euro-Jobs, aus Bundesmitteln geschaffen. Ziel ist eine Heranführung an den Arbeitsmarkt sowie eine sinnvolle Betätigung während des Asylverfahrens. Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten sind davon ausgeschlossen. Sie sollen schnell in ihre Heimat abgeschoben werden.
Deutschkenntnisse: Bisher sind Integrationskurse nicht verpflichtend, wenn eine Verständigung bereits mit einfachen Deutschkenntnissen möglich ist. Das reiche aber für eine Arbeitsstelle und einen möglichen dauerhaften Aufenthalt nicht aus, heisst es jetzt. In diesem Fall soll es eine Verpflichtung zu Integrationskursen geben.
Wertevermittlung: Ein Orientierungskurs soll inhaltlich erweitert werden und schwerpunktmässig Inhalte zur Wertevermittlung enthalten. Die Unterrichtseinheiten sollen von 60 auf 100 aufgestockt werden.
Sanktionen: Leistungsberechtigte werden zur Mitarbeit bei angebotenen Integrationsmassnahmen verpflichtet. Ablehnung oder Abbruch ohne wichtigen Grund führen zu Leistungseinschränkungen. Bei Straffälligkeit wird das Aufenthaltsrecht widerrufen. Nachzuweisendes Fehlverhalten eines Asylbewerbers soll mit Leistungskürzungen verbunden werden.
Keine Vorrangprüfung: Für einen Zeitraum von drei Jahren soll bei Asylbewerbern und Geduldeten gänzlich auf die Vorrangprüfung verzichtet werden, wonach zunächst einem deutschen oder europäischen Staatsbürger der Job angeboten werden muss.
Anreize zur Integration: Eine unbefristete Niederlassungserlaubnis wird nur bei erbrachten Integrationsleistungen erteilt. Das können sein: Sprachkenntnisse, Ausbildung, Arbeit.
Wohnsitzzuweisung: Zur Vermeidung von sozialen Brennpunkten sollen Schutzberechtigte gleichmässiger verteilt werden. «Eine Verletzung der Wohnsitzzuweisung führt für die Betroffenen zu spürbaren Konsequenzen.»
Ausweis: Um Unklarheiten bei der Aufenthaltsgenehmigung zu vermeiden, soll der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsleistungen an einen Ankunftsnachweis geknüpft werden.
Terrorabwehr: Mehr Befugnisse für die Polizei
Im Massnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung wird vorgeschlagen, den Sicherheitsbehörden mehr Geld, Personal und Befugnisse zu geben. Die Bundespolizei soll die Erlaubnis zum Einsatz von verdeckten Ermittlern schon zur Gefahrenabwehr und nicht erst zur Strafverfolgung erhalten. Damit soll auch gegen Schleuserkriminalität vorgegangen werden.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst sollen nach dem Willen der Koalitionsspitzen stärker als bisher mit Partnerdiensten aus Europa, der Nato und Israel Daten austauschen können.
Voraussetzung sei etwa ein klar definierter Zweck des Austauschs und ein begrenzter Anwendungsbereich. Gemeinsame Dateien von Geheimdiensten und Polizei müssten stärker als bisher zur Analyse genutzt werden können, heisst es weiter.