Die Alternative für Deutschland (AfD) formierte sich 2013 aus dem Widerstand gegen die EU-Politik zur Rettung des Euro. Inzwischen ist sie immer weiter nach rechts gerückt. Jüngst sorgte sie mit einem stramm anti-islamischen Kurs für heftige Kritik. Ihre Gegner werfen der AfD vor, sie grenze sich zu wenig gegen rechtsradikale Umtriebe ab.
Dennoch reitet die Partei auf einer grossen Erfolgswelle. Bei den jüngsten Landtagswahlen erzielte die AfD zweistellige Ergebnisse. In Sachsen-Anhalt wurde sie sogar zweitstärkste Partei. AfD-Chefin Frauke Petry ist am Samstag zu Gast bei der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns).
SRF News: Frau Petry, welchen Bezug haben Sie zur Schweiz?
Frauke Petry: Die Schweiz ist für uns in vielen Bereichen ein Vorbild. Gerade politisch und in demokratischer Hinsicht würde Deutschland eine ganze Menge mehr Schweiz gut tun. So können wir über national wichtige Fragen nicht in Volksabstimmungen entscheiden. Die Bürger in ganz Europa können immer weniger mit der Politik anfangen und fühlen sich allein gelassen. Es ist unsere Aufgabe als Demokraten, Politiker und Bürger wieder zusammen zu kommen. Wir wollen nicht nur öffentlich diskutieren, sondern die Bürger in ihrer Rolle als Kontrollorgan des Parlaments ernst nehmen.
Die AfD ist in den letzten drei Jahren ein Gradmesser für die Symptome in der Bevölkerung geworden.
Der AfD wird immer wieder vorgeworfen, sie distanziere sich nicht genügend von rechter Gewalt, etwa von Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime. Wie stellen Sie sich dazu?
Wir haben Gewalt immer abgelehnt. Uns wird häufig vorgeworfen, Schuld an der radikalisierten Stimmung in der Bevölkerung zu haben. Das hiesse aber, den Überbringer der schlechten Botschaft zur Ursache des Problems zu erklären. Man diskutiert in der heutigen Politik lieber über das unangenehme Symptom, anstatt über den Grund des Problems. Wir haben die EU, die sich in die falsche Richtung bewegt, eine Währungsunion, die nicht funktioniert und eine verfehlte Migrationspolitik. Wenn Bürger das bemerken, dann reicht es nicht, auf sie zu schimpfen. Dann muss über die Ursache nachgedacht werden. Die AfD ist in den letzten drei Jahren ein Gradmesser für die Symptome in der Bevölkerung geworden.
Sie sagten «Deutschland soll wieder Deutschland werden». Was heisst das?
Anders als viele anderen demokratischen Länder hat Deutschland keine geregelte Einwanderung. Das Asylrecht taugt als Instrument zur Einwanderung nicht und lädt zum Missbrauch ein. Inzwischen ist das offensichtlich. Das hat nichts damit zu tun, dass wir keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. Im Gegenteil: Gerade die Syrer sind unter den Kriegsflüchtlingen in Deutschland die Bevölkerungsgruppe, die am ehesten zu integrieren sind. Von vielen Syrern wissen wir, dass sie möglichst schnell wieder in ihr Heimatland zurückwollen. Wir erleben aber, dass nicht alle, die sich als Syrer ausgeben, tatsächlich aus Syrien stammen. Wir wissen auch, dass ein Grossteil der Asylbewerber in Deutschland mitnichten Kriegsflüchtlinge sind, sondern illegale Migranten meist aus nordafrikanischen Ländern. Das ist inzwischen auch statistisch belegt.
Im Entwurf für das neue Parteiprogramm der AfD steht, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Sie befürchten einen Verlust der deutschen Identität durch die vielen Flüchtlinge. Warum?
Das ist ein Fakt, und gilt nicht nur für Deutschland. Es ist eine Frage der Zahlen. Allein 2015 kamen über eine Million Asylbewerber nach Deutschland. Hunderttausende davon sind sehr wahrscheinlich illegal hier. Viele von ihnen werden über das Instrument des Familiennachzugs weitere Personen nach Deutschland holen. Wir rechnen damit, dass wir innerhalb kürzester Zeit mehrere Millionen Menschen aus anderen Kulturkreisen in Deutschland haben werden. Dass das das gesellschaftliche Leben verändert, ist völlig klar.
Das wollen Sie so nicht?
Wenn wir feststellen, dass es mehrheitlich nicht um tatsächlich verfolgte Menschen geht, sondern um Flüchtlinge, die einfach in Deutschland leben wollen, müssen wir erst die Rechtmässigkeit wiederherstellen. Es geht gar nicht um die Frage, ob wir das wollen oder nicht. Deutschland ist ein Rechtsstaat und wir müssen uns an diese Gesetze halten. Das gilt auch für die Bundesregierung, die das in Migrationsfragen derzeit aber gerade nicht mehr tut. In der Tat muss die Bevölkerung darüber entscheiden, ob sie diese Art von Einwanderung will.
Geht es vor allem um die Frage, ob sie so viele Muslime will?
Ja, diese Frage muss demokratisch und öffentlich beantwortet werden. Diese Diskussion wurde in Deutschland aber noch nie geführt. Sie wird der Öffentlichkeit jetzt gottseidank aufgezwungen indem jetzt so viele Menschen nach Deutschland kommen. Tatsächlich geht es auch um die Frage, ob wir die Zunahme einer Religionsgemeinschaft in dieser Grössenordnung möchten. Zumal es im Islam Strömungen gibt, deren Staatsverständnis mit unserem nicht vereinbar ist. Ob ein konfliktfreies Zusammenleben möglich ist, ist fraglich.
Ein anderer politischer Schwerpunkt der AfD ist eine Rückkehr zum Nationalstaat. Heisst das, Deutschland soll weg von der EU?
Deutschland ist zumindest auf dem Papier noch ein Nationalstaat. Aber alle EU-Staaten haben in den letzten Jahren Stück für Stück ihrer Souveränität an Brüssel abgegeben. Einige haben dazu ihre Bürger befragt. Deutschland nicht, weil es keine Volksabstimmung gibt. Wir möchten die wirtschaftlichen Beziehungen zu anderen europäischen Ländern aufrechterhalten. Aber Entscheidungen, die am Ende eine Nation betreffen, sollten national getroffen werden. Die Bürger müssen am Ende ja dafür bestehen und bezahlen. Dann sollten sie auch direkt oder mindestens über ein Parlament im eigenen Land an diesen Entscheidungen beteiligt sein. Eine europäische Gemeinschaft – nicht eine Union – von souveränen Nationalstaaten ist der sehr viel bessere Weg, als der, den die EU vor ein paar Jahren eingeschlagen hat. Die Schweiz ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie beides geht: gemeinsam und eigenständig.
Das Gespräch führte Susanne Brunner.