Wieder einmal ist die rechtspopulistische AfD in Deutschland mit einer Provokation in aller Munde: Der stellvertretende Vorsitzende der Partei, Alexander Gauland, gab der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS)» ein Interview, in dem er zu Nationalspieler Jérôme Boateng mit dem Satz zitiert wird: «Die Leute finden ihn als Fussballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.» Der in Berlin geborene Profisportler ist Sohn eines ghanaischen Vaters und einer deutschen Mutter.
Postwendend kam die geharnischte Reaktion aus Politik, Sport, Kultur und Bevölkerung. Spitzenpolitiker wie Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) oder Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) reagierten umgehend auf Twitter und kritisierten Gaulands Aussage.
Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) liess über ihren Sprecher ausrichten: «Dieser Satz, der gefallen ist, der ist ein niederträchtiger und ein trauriger Satz.» Auch AfD-Chefin Frauke Petry versuchte die Wogen zu glätten, zunächst über Twitter, dann auch gegenüber Medien. Allerdings nicht ohne offen zu lassen, ob die Aussage tatsächlich getätigt wurde. Der Boulevardzeitung «Bild» sagte sie: Gauland könne sich nicht erinnern, den Satz gesagt zu haben. «Ich entschuldige mich unabhängig davon bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist.»
Und Gauland? Der bestritt zunächst, den Satz überhaupt gesagt zu haben. Als die FAS widersprach und vermeldete, das Gespräch sei aufgezeichnet worden, ruderte Gauland in der ARD zurück: Boatengs Name könne im Interview durchaus gefallen sein, vielleicht auch auf Seiten der Journalisten. Im Fussball kenne er sich nunmal nicht aus. Er habe lediglich ausdrücken wollen, «dass es viele Menschen gibt, die halt Fremde in ihrer Nachbarschaft nicht für ideal halten».
Strategie der schnellen Aufmerksamkeit?
Nicht zum ersten Mal provoziert die AfD damit mit Aussagen eine breite Öffentlichkeit – und relativiert die markigen Sprüche darauf wieder. Zu Beginn des Jahres liess beispielsweise Vorsitzende Petry verlauten, im Notfall müssten die Behörden Flüchtlinge an der Grenze unter «Einsatz von Waffengewalt» an der Einreise hindern. Als die Welle der Empörung anschwoll, gab sie an, das heisse nicht, dass man tatsächlich schiesse, man könne mit Waffen auch einfach drohen.
Ist die Provokation mit anschliessender Relativierung also nichts anderes als eine Strategie, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu generieren? SRF-Korrespondent Adrian Arnold bezweifelt, dass das im aktuellen Fall so ist: «Gauland hat mit dem Satz ein klares Eigentor geschossen.»
Bei der Flüchtlingsfrage habe die Partei auf eine grundsätzlich negative Stimmung in der Bevölkerung zählen können. Die Fussballnationalmannschaft aber stehe symbolisch für «das Multikulti-Deutschland, das zusammen Erfolg hat, in der Wirtschaft wie im Fussball». Mit seiner Äusserung habe Gauland also eine «heilige Kuh» angegriffen, die auch bis in die AfD-Wählerschaft als solche wahrgenommen werde. Auch die Reaktion Petrys zeige dies: «Sie hat den Satz offensichtlich nicht sonderlich klug gefunden.»
Medienbashing und interner Machtkampf
Allerdings zeige das Beispiel eine ganz andere Strategie exemplarisch auf, so Arnold: Indem die Medien so dargestellt würden, als verdrehten sie die eigentliche Aussage oder schrieben gar gänzlich Ungesagtes, wolle die AfD «die vierte Gewalt aushebeln». Die eigenen Anhänger «immunisiert die Partei so gegenüber Kritik aus den Medien, und dies ganz einfach mit dem Vorwurf der Lügen-Presse».
Zudem zeige sich im aktuellen Fall auch der Machtkampf innerhalb der AfD-Führung erneut deutlich, erklärt Arnold: Auf der einen Seite stehe hier Petry, auf der anderen Seite Gauland und Bundessprecher Jörg Meuthen. Beiden sei Petry «zu machtversessen, sie wollen sie loswerden».
Vor allem auch im Hinblick auf die Ausmarchung eines Spitzenkandidaten für die Bundestagswahlen im September 2017. «Mit ihrer Distanzierung hat Petry nun die Chance genutzt, Gauland eins auszuwischen.»
Fussballstar Boateng nimmt die ganze Geschichte offenbar nicht sonderlich mit. Nach dem Testspiel der Nationalelf gegen die Slowakei nahm er nur kurz Stellung zu Gaulands Worten: «Traurig, dass so etwas heute noch vorkommt.»
SRF 4 News, 9:00 Uhr