Tritt François Hollande bei der Präsidentenwahl im nächsten April nochmals an? Darüber rätseln in Frankreich politische Gegner ebenso wie Freunde. Hollande selbst hat sich dazu bisher nicht geäussert. Nur eines machte er immer schon klar: Eine nochmalige Kandidatur gebe es nur, wenn ihm bei der Arbeitslosigkeit die Trendwende gelinge. Nun liegt die Quote zum ersten Mal seit 4 Jahren unter 10 Prozent. SRF News hat die Politologin Claire Demesmay gefragt, was das für den Präsidenten heisst.
SRF News: Was denken Sie, wird Hollande nun seine Kandidatur für eine Wiederwahl bekanntgeben?
Claire Demesmay: Die Reduktion der Arbeitslosigkeit ist bestimmt eine Voraussetzung. Doch die Zahl knapp unter 10 Prozent ist noch keine gute Zahl – die Tendenz muss sich bestätigen. Erst das verschafft Hollande Legitimität. Und auch Ehrlichkeit: Denn er kann dann auf den Punkt zurückkommen, dass er seine Kandidatur immer von dieser wirtschaftspolitischen Verbesserung abhängig gemacht habe.
So oder so kann sich Hollande aber nicht einfach selbst zum Kandidaten der Sozialistischen Partei (PS) krönen. Er muss sich erst Primärwahlen stellen. Ein Blick in die Geschichte der Fünften Republik zeigt zudem: Wird eine erneute Kandidatur zu früh bekanntgegeben, kann dies die Chancen auf eine Wiederwahl mindern.
François Hollande ist unpopulär. Reicht ein Erfolg bei der Arbeitslosigkeit aus, damit er sich Chancen auf eine Wiederwahl ausrechnen darf?
Bessere Ergebnisse in der Wirtschaft sind eine Grundvoraussetzung, aber nicht ausreichend. Will Hollande wiedergewählt werden, muss er sich auch in drei anderen Themen positionieren: Erstens bei der inneren Sicherheit und der Bekämpfung des Terrorismus – kein so gutes Thema für die Sozialisten, eher für die Konservativen, vielleicht sogar die Rechtsextremen.
Das zweite Thema ist die Zuwanderung und das Zusammenleben: Wie können Spannungen innerhalb der Gesellschaft abgebaut werden?
Drittes Thema ist die Europapolitik: Da gibt es derzeit sehr viel Unmut. Es geht um eine allzu liberale Wirtschaftspolitik, aber auch um die Dominanz Deutschlands. Gemäss einer kürzlich veröffentlichen Umfrage befürworten derzeit fast ein Drittel der Franzosen einen Frexit. Für Hollande ist es aber schwierig, eine andere Europapolitik einzuschlagen.
Nicht zuletzt hängt die Wiederwahl auch von der Fähigkeit ab, den Bürgern das Gefühl zu vermitteln, verstanden zu werden. 2012 ist das Hollande geglückt. Diesmal wird es schwieriger. Hollande wird nun als Teil der Elite betrachtet.
Hollandes schwache Position wird dadurch verdeutlicht, dass er von anderen linken Politiker wie Premierminister Valls, Wirtschaftsminister Macron oder den ehemaligen Regierungsmitgliedern Montebourg und Hamon in Primärwahlen angegriffen werden könnte. Wie gross ist die Chance, dass Hollande parteiintern ausgestochen wird?
Ich gehe davon aus, dass Hollande Kandidat der Sozialisten wird, wenn er an den Vorwahlen der PS teilnimmt. Die Kandidaturen von Valls und Macron sind derzeit noch Spekulation. Beide müssen sich gut überlegen, ob sie ihre aktuellen Regierungspositionen aufs Spiel setzen wollen. Die beiden «Frondeurs» (siehe Textbox, Anm. d. Red.) Montebourg und Hamon könnten sich gegenseitig neutralisieren.
Die einzige Kandidatin, die meiner Meinung nach eine echte Chance hätte, Hollande in den Vorwahlen zu schlagen, ist Martine Aubry –als «Mutter der 35-Stunden-Woche» ist sie in der Partei sehr beliebt. Aubry schliesst eine Kandidatur aber aus. Deshalb sind die Gefahren für Hollande parteiintern nicht allzu hoch. Es ist jedenfalls wichtig, dass er sich den Vorwahlen stellen muss: Geht er als Gewinner hervor, hat er seine Position als Spitzenkandidat parteiintern gefestigt und kann einen Teil der Kritik reduzieren.
Das Gespräch führte Emanuel Gyger.
Hollandes mögliche interne Konkurrenz
-
Bild 1 von 5. Der Aufsteiger. Manuel Valls hatte sich bereits 2011 um die Kandidatur der Sozialistischen Partei (PS) für die Präsidentenwahlen beworben. Bei der Vorwahl erreichte er aber nur wenige Stimmen. Im März 2012 wurde Valls Innenminister und zwei Jahre später Premierminister. Ob der 54-Jährige Hollande tatsächlich das Amt streitig machen will, ist derzeit noch offen. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 2 von 5. Der erste Frondeur. Auch Arnaud Montebourg war bereits 2011 bei den PS-Vorwahlen angetreten. Unter Hollande wurde Montebourg Minister für die Belebung der Produktivität. Im April 2014 übernahm der 53-Jährigen das Wirtschaftsressort. Als führende Kraft der «Frondeurs» wurde er wenig später ersetzt. Montebourg gab seine Kandidatur am Sonntag bekannt. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 3 von 5. Der zweite Frondeur. Auch Benoît Hamon war als Minister für Bildung, Hochschulen und Forschung Mitglied im ersten Kabinett von Premierminister Valls ab April 2014. Wie Montebourg, schied auch auch er als «Frondeur» bereits vier Monate später wieder aus der Regierung. Der 49-Jährige hat bereits bekanntgegeben, dass er in den Vorwahlen gegen Hollande antreten will. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 4 von 5. Der Neue. Emmanuel Macron wurde nach dem Ausscheiden der «Frondeurs» im August 2014 neuer Wirtschaftsminister. Gemäss Umfragewerten ist der ehemalige Investmentbanker der neue Politliebling der Franzosen. Diesen Frühling gründete er seine eigene Bewegung «En Marche!». Ob der 38-Jährige tatsächlich ins Präsidentschaftsrennen steigt, ist noch nicht bekannt. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 5 von 5. Die Abwesende. Bereits bei den Vorwahlen 2011 war Martine Aubry die stärkste Konkurrentin Hollandes. Unter anderem als «Mutter der 35-Stunden-Arbeitswoche» bekannt, ist die Bürgermeisterin von Lille bei den Sozialisten unverändert beliebt. Doch trotz parteiintern guten Karten: Die 66-Jährige will nach eigenen Angaben nicht mehr Präsidentin werden. Bildquelle: Reuters.